2004-07-31

Scotland

Morgens kommt ein alter Sack von Platzwart vorbei, grummelt mich wegen allem moeglichen Scheiss an und verlangt 10 Pfund Platzgebuehr! Soviel hab ich noch nie fuer das Recht zahlen muessen ein paar Stunden auf 5m² Rasenflaeche liegen zu duerfen. Das Preis-Leistungsverhaeltnis von Camingplaetzen heutzutage ist absolut unter aller Sau!

Bei bestem Sonnenschein beradel ich die Kuestenstrasse vorbei an suendhaft teuren Edelhotels und einer Golfanlage nach der anderen. In einem Ex-Militaerhafen (D-Day Nachschub plus dismantling von 86 deutschen UBooten), von dessen einst riesigen Krananlagen nur noch die Betonfundamente uebrig sind, kaufe ich mir mein Ticket nach Nordirland.

Ich habe mich heute selbst haeufig beim Beobachten beobachtet, was mich ins Gruebeln brachte ueber Computer image recognition and understanding. Gibt es eine Studie, mit 2 Probanden, bei denen einer ein Bild gezeigt bekommt und dieses dann dem anderen beschreibt, damit jener es ungesehen Zeichnen kann? Ich faend die Ergebnisse hochgradig interessant. Kann man bestimmt auch ein lustiges Gesellschaftsspiel raus machen. Was mich wiederum melancholisch an meine ganzen Siedler von Catan Sessions denken laesst.

Die Polizisten in dem kleinen schottischen Nest moegen zwar unbewaffnet sein, ne kugelsichere Weste tragen sie dennoch alle. Security bevor man die Faehre betreten darf ist zwar vorhanden, aber mehr ein Witz als alles andere. In Larne eingetroffen radel ich mal wieder ne Weile durch die Nacht, bevor ich nen Platz zum Schlafen finde. Wunderbar sternenklar, und der rote Vollmond wird vom Meer reflektiert. Von meinem Huegel aus kann ich schon die Lichter Belfasts sehen.

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2004-07-30

Scotland

Selbstverstaendlich regnet es bereits morgens bevor ich ueberhaupt das Zelt verlasse. Kann mir bitte jemand ein Bild von der Sonne schicken? Meine Erinnerung an sie verblasst langsam.

Der Tag wird in seinem Verlaufe aber noch wesentlich besser und meine Laune damit auch. Ich treffe Tony aus Manchester, der bisher coolste Biker ueberhaupt. Sein Gefaehrt ist selbst zusammengeschweisst, sein Gepaeck in Folien verpackt mit Spanngurten ans Fahrrad geschnuerrt, als Staender benutzt er einen Stock und schlafen tut er auf nem Stueck Schaumstoff unter ner Plane. Aber das coolste: luftgepolsterter Sattel! Er hat nen Fahrradschlauch um den Sattel gewickelt, dafuer nen Ueberzug genaeht und dann aufgepumpt. Genial. Er ist 62 Jahre alt und wartet nur auf seinen 65 Geburtstag, damit er endlich richtig loslegen kann. Derzeit muss er 6 Monate im Jahr in der UK verbringen, um seinen Rentenanspruch nicht zu verlieren. Er erzaehlt von 5 Monaten Indienradtour und nem Trip in Kenia, bei dem er mit Machete und Pistole ueberfallen wurde. Bis aufs letzte Hemd ausgeraubt 11 Stunden gefesselt im Wald gelegen. Wir filosofieren mehr als ne Stunde. Hochgradig interessant, da wir uns was die Probleme dieser Welt und Hauptursachen dafuer sehr einig sind, sich unsere Loesungsansaetze aber radikal unterscheiden.

Nach Tony kommen mir noch Schwaerme anderer Radler entgegen, es ist, als ob das erste bisschen Sonnenschein seit Wochen sie alle aus ihren Loechern geholt haette. Unter ihnen die ersten beiden beladenen Liegeradler, die ich sehe.

Halleluja! Sonnenschein! Ich fang sogar wieder an zu fotografieren - in dem Scheisswetter hab ich das trotz schoener Landschaften fast gaenzlich seingelassen. Die Faehre nach Nordirland, die ich urpsruenglich nehmen wollte, verkehrt wegen Unrentabilitaet schon seit mehr als 3 Jahren nicht mehr - weshalb sie dann noch auf meiner aktuellen Karte eingezeichnet ist weiss der Geier. Also nehme ich erstmal 2 Faehren und fahre ueber die Insel Arran (schoen!) aufs schottische Mainland. Da komme ich aber Glasgow zu nahe.

Warum muessen Staedte eigentlich jedesmal selbst die schlimmsten Vorurteile, die ich gegen sie hege, noch ueberbieten?! Ich fuehle mich wie ein gejagt, gehetztes Tier auf meinem Spiessroutenlauf von einer poebelnden Jugendgang zur naechsten. Man stellt mir Beinchen, versperrt den Weg, bruellt mir hinterher, will mir mein Kopftuch vom Haupt zerren und schmeisst Gegenstaende nach mir. Der Radweg ist neben einer vierpurigen Strasse zwischen Leitplanke und Zaun eingeklemmt und streckenweise so schmal, dass ich mit meinen Packtaschen steckenbleibe. Natuerlich bedient er beide Fahrtrichtungen und bei Gegenverkehr muss einer mit Rad auf die Strasse klettern. Da fallen die Dornenranken quer ueber den Weg kaum ins Gewicht. Das coolste ist aber eine rechtwinklig abknickende Kurve, geradeaus fuehrt eine steile Treppe direkt in nen See. Wuerd gerne wissen, wieviele da schon runtergeduest sind.

Ich fahre zwei Campingplaetze an, beide sind Caravans only, no tents. Mein Tacho ist wieder hinueber. Durch bewoelkt sternenlos stockdunkle Nacht suche ich mir meinen Weg ueber Felder und durch Waelder. Ich seh die Hand vor Augen nicht, da ist das Finden eines geeigneten Zeltplatzes schwierig, also fahre ich noch 30km bis zum naechsten offiziellen. Um 0130 Uhr darf ich endlich crashen.

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2004-07-29

Scotland

Ich marschiere noch einmal 10km und finde beim zweiten Versuch einen Radladen, der nur halb inkompetent ist und erwerbe dort nen neuen Mantel, dem ich immerhin ne Woche Ueberleben zutraue. Weil der allgegenwaertige und immerwaehrende Nieselregen mich kaum richtig nass macht schuettet es noch einmal so richtig. Natuerlich geht es auch weiterhin gegen gehaessigen Wind. Schottland gibt es in zwei Geschmacksrichtungen: bewoelkt regnerisch mit Wind und bewoelkt regnerisch ohne Wind. Mit Wind ist ewige Quaelerei dagegen an, ohne Wind ist noch viel schlimmer weil einen dann die Nasties (midges) in den Wahnsinn treiben. Mag ja sein, dass die mit abendlicher Dusche um den Juckreiz wegzuspuelen und vier Waenden um einen herum ertraeglicher sind - aber wenn man denen, wie ich, non-stop ausgeliefert ist machen sie aggressiv. Wenn heute ganz Grossbritannien in den Fluten des Meeres versinken wuerde, ich wuerde nicht einmal mit den Schultern zucken.

Als sanfte Einstimmung fahre ich an einem totgefahrenen Reh vorbei. Suess, wie es mir die schwarz geschwollene Zunge herausstreckt waehrend Fliegen in dem geoeffneten Auge herumkrabbeln. Danach komme ich durch eine frische Unfallstelle: 40 Tonner gegen kleinen Fiat. Eins zu Null fuer das Transportunternehmen. Besonders niedlich finde ich den "Baby on Board" Aufkleber, der die letzten Reste der zertruemmerten Heckscheibe zusammenhaelt. Vielleicht hat ja diesmal jemand etwas gelernt, in jedem Fall hat aber jemand viel Blut verloren. Keine 5km weiter passiere ich erneut nen "Police, Accident" Aufsteller. Ist aber langweilig, hat sich nur jemand Kopfschmerzen geholt, indem er in die Leitplanke gefahren ist. Noch einmal 3km entfernt bleibt ein Auto mit quitschenden Reifen keine 2cm von meinen Packtaschen entfernt stehen. Eine Fahrlehrerin in Fahrschulwagen dachte wohl Fahrraeder haetten auf Vorfahrtsstrassen keine Vorfahrt. Man sollte Unfallopfer an Ort und Stelle verwesen lassen. Oder noch besser, an Ampeln aufhaengen. Mittelaltermaessig als Abschreckung - die Kreuze am Strassenrand reichen ja offensichtlich nicht. Oder wie kann man sonst die norwegischen Jugendlichen erklaeren, die den ganzen Tag zum Spass durchs Dorf fahren? Oder das Ehepaar auf dem Campingplatz, dass die 200m von ihrem Wohnwagen zur Rezeption und zurueck mit dem Auto faehrt? Oder den Knilch aus Deutschland, der freiwillig jeden Tag mehr als 200km Arbeitsweg faehrt, weil ihm sein Arbeitgeber den Firmenwagen zahlt? "Umziehen waer kein Problem, aber ich fahre gerne Auto." Wenigstens derart ueberfluessige Fahrten koennten doch wohl vermieden werden?!

Und bevor mir jetzt jemand den Vorwurf macht ich sei geschmacklos mit meinen Vorschlaegen und Beschreibungen - ja, bin ich. Aber es ist nunmal die Realitaet und was kann ich momentan schon machen ausser Toben und wueten? Ben Harper singt: "I've seen enough to know that I've seen too much." Wenn nur ein einziger ein einziges Mal weniger in sein Auto steigt wegen mir hat es sich ja schon gelohnt. Und ich habe durchaus auch konstruktivere Ideen, nur um die umzusetzen brauche ich mehr Zeit und eine Heimatbasis.

Wenn ich eines gelernt habe auf dieser Tour, dann ist es selbst gegen die widrigsten Umstaende noch irgendwie selbstmotiviert zu bleiben. Doch diese "always look on the bright side of life" Faehigkeit wird mir langsam aber sicher ausgeregnet und weggeblasen. Das einzige, was mich noch voran treibt ist die verzweifelte Hoffnung irgendwo muss es doch richtig Sommer sein und dass ich hier bald weg bin! Aber selbst da weiss Schottland mir nen Strich durch die Rechnung zu machen mit nem grossen Schild "No Ireland ferry services". Ich bin mittlerweile so gewohnt die Schiffe als Teil des Strassennetzes zu sehen, dass mir gar nicht in den Sinn kam, dass sie auch mal ausfallen koennten.

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2004-07-28

Scotland

Um 0400 Uhr morgens werde ich das erste Mal wach mit Bauchschmerzen als haette ich gluehende Lava gefressen. Wetter genau wie gestern, mir ist schon morgens nach Kotzen und das liegt nicht nur an meinem Bauch. Ich fahre zum Hafen, nur um zu erfahren, dass die naechste Faehre von dort erst in zwei Tagen geht. Aber von der Insel weiter im Sueden ginge eine heute. Also Vollgas, beradel ich die dritte Insel halt auch noch. Erste Faehre ist kein Thema, aber bevor ich die zweite erreiche platzt mein Hinterrad. Der Mantel ist komplett hinueber. Jetzt hab ich die Aufgabe mit schleifend blockierendem Hinterrad schiebend innerhalb von einer halben Stunde 3 Meilen (Meilen!) und einen Minipass zu ueberwinden - sonst haenge ich hier zwei Tage fest. Ich folter meine Felge und mich selbst bis zum letzten. Schweissgebadet erreiche ich puenktlich den Anleger - nur um zu erfahren, dass das Scheiss Boot Verspaetung hat.

An Bord werde ich fuer 5 Stunden Ueberfahrt von drei Seiten mit drei verschiedenen, voll aufgedrehten Fernsehprogrammen beschallt. Wenigstens habe ich heute ne nette radfahrende Familie aus Schottland kennengelernt. Vater, Mutter und siebenjaehrige Tochter. Vater ist selbststaendiger Softwareentwickler.

Die Wochenhoechsttemperatur wurde heute trotz Wolkendecke auch erreicht: unglaubliche, unertraeglich heisse 17°C! Um das auszuhalten trage ich Sonnenschutzfaktor 40. Kurz vor Mitternacht legt die Faehre an und ich schiebe mein Wrack noch einmal 5km durch stockfinstere Nacht, bevor ich den Campingplatz erreiche. Manchmal war der Mond zu sehen und richtig schoen: fast voll, blutrot und knapp ueberm Horizont. Als ich um 0200 Uhr morgens endlich gegessen habe gleicht das Einschlafen mehr einem erschoepft ohnmaechtig werden.

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2004-07-27

Scotland

Give me a fucking break! Ein einziges Windrad auf der Insel koennte ganz Schottland mit Strom versorgen. Ich muss weiterhin meine undurchsichtige Brille tragen mit dem aufgemalten blauen Himmel und der kuenstlichen Sonne - ansonsten wuerde mich Nieselregen und ewig grauer Himmel langsam depressiv machen. Nein, dies hat definitiv aufgehoert Spass zu machen, ich will nur noch runter von den verfluchten Inseln. Eine Faehrueberfahrt hatte ich heute.

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2004-07-26

Scotland

Paar Stunden Faehre und ich stehe auf den Outer Hebrides. Der Sturm hat nachgelassen und es ist verhaeltnissmaessig windstill (alles ist relativ: die Kinder lassen Drachen steigen und Waesche und Betttuecher haengen waagerecht an der Leine - aber im Vergleich zu den letzten Tagen ist das fast kein Gegenwind).

Ich fahre Umwege ueber kleinste Straesschen. Drei Reiseradler kommen mir entgegen, mit denen ich gerne gesprochen haette - sie sahen absolut wie Veteranen aus, mit sonnengebleichten Ortliebs und Taschenmesserfrisuren. Nach ner Pinkelpause komm ich zu meinem Bike zurueck und hoere nicht nur das Pfeifen des Windes in den Speichen sondern ein zusaetzliches Zischen - mein Hinterrad ist wieder platt. Also Flicken im Regen. Trotz gruendlichster Suche finde ich diesmal die Ursache nicht. Ich habe gerade wieder fast genuegend Druck drauf, da reisst das Ventil kaputt - irreparabel. Also meinen letzten Ersatzschlauch rein. Will essen, aber der Kocher streikt und flammt fast das Zelt ab. Die Reinigungsnadel bricht ab. Meinen neuen Staender kann ich auch wegschmeissen, der beschaedigt lediglich den Rahmen und haelt das Fahrrad eh nicht. Frust!

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2004-07-25

Scotland

Ich niste mich also fuer 2 Naechte auf dem Campingplatz ein und gehe Sightseeing in Ullapool. Gemuetliches kleines Nest. Mehrere kleine, urige Buchlaeden, in denen ich mich umgucke. Bildbaender ueber Hausbau selbstgemacht und Baumhaeuser. Ich hab ja selbst schon einige von der Sorte konstruiert, aber so professionel aufgezogen geht doch einiges! Cool!

Michael Moores "Dude, wheres my country?" Manchmal ist er mir zu traenendrueckerisch, aber seine Mission ist mir sympatisch und ich mag seine simple, geradeheraus Logik.

"look at the blood we're spilling, look at the world we're killing, way we've always done before... look at the leaders we follow, look at the lies we've swallowed, and I don't want to hear no more!" Guns N Roses, Civil War. gute lyrics, geiler Song. Startet mit dem selben Sample aus dem Film "Cool Hand Luke", das auch auf meinem Anrufbeantworter ist: "erm... what we've got here is - failure - to communicate. Some men you just can't reach..."

In einer Jugendherberge tausche ich mein Buch, bin jetzt nicht mehr im Jihad unterwegs sondern bei Anwaelten in London. Bisher beeindruckte mich am meisten eine Szene, in der ein absoluter Stadtmensch aufs Land faehrt und von der Dunkelheit eines einsamen grossen Hauses voellig eingescheuchtert, veraengstigt, ist. Das war perspektivenerweiternd. Ich mag Dunkelheit, die beschriebene Szene hatte fuer mich etwas unglaublich friedliches, gemuetliches. Ich sympatisiere aber auch mit der Dark Sky Association, die sich fuer die drastische Reduzierung des Lichtsmogs einsetzt zu gunsten der Umwelt. Jeder, der schon einmal abseits der Zivilisation nachts einen unbeeintraechtigten Sternenhimmel bewundern durfte, muesste das eigentlich auch tun. Oder auf einem Berggipfel gesessen hat im Dunkeln und erleben musste, wie unendlich weit die Lichtglocke einer Stadt scheint, oder die Lichtfinger eines Autos durch die Landschaft schneiden - Wunden in der Schoenheit der Nacht (mal ganz zu Schweigen davon, dass der Laemr aus dem Tal Kilometer nach oben schallt, selbst von einem einzigen Auto).

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2004-07-24

Scotland

Faellt mir gerade ein: In England habe ich das erste mal im Leben Einkaufswagen mit automatischer Wegfahrsperre gesehen. Wenn man auf dem Parkplatz ne rote Linie ueberfaehrt blockieren die Raeder funkgesteuert automatisch. Derartige Einrichtungen helfen nicht besonders sich sicher zu fuehlen in einem Land.

Keine der Strassen hier im Norden ist zweispurig, es gibt nur alle paar hundert Meter kleine Ueberholbuchten. Als Radfahrer ist das ein kleines Dilemma - ich moechte selbst auf diesen schmalen Strassen lieber ueberholt werden statt mit den Buchten stop and go zu fahren. Autos sehen das nicht immer so.

Ich bin schon mehrfach nach meinem Sternzeichen gefragt worden, eine solche Unternehmung sei untypisch fuer Fische. Huh?! Wenn irgendwelche Lebewesen rumkommen in ihrem Leben dann doch wohl die? Die machen doch den ganzen Tag nichts anderes, als sich fortzubewegen. Und ueberhaupt, ich glaube durchaus, dass die Sterne Einfluss auf unser Leben haben. Es ist ein System mit zuviel Energie, als dass das nicht so sein koennte. Aber alle bisherigen Deutungsversuche erscheinen mir etwas naiiv, primitiv, um das mal milde auszudruecken.

Aaargh! Was ist das eigentlich fuer ein verschissener Dreckssommer in dem es an jedem verdammten Tag regnet?! Ich liege bis 1 Uhr im Zelt und hoffe, dass entweder Regen oder Sturm nachlassen - keines von beiden ist der Fall. Der Sturm reisst mir fast die Heringe aus dem Boden und der Regen klingt, als wuerde jemand in Intervallen ganze Badewannen voll Wasser auf einmal ueber mein Zelt schuetten. Ich fahre los, Autos, die mich passieren, duschen mich mit meterhohen Fontaenen und haben ihre Scheibenwischer in der hektischen Einstellung.

Ich fahre durch den bisher mit Abstand schoensten Teil Schottlands, die wilde Nordwestkueste. Hier muss ich noch einmal hinkommen und jeden Gipfel besteigen. Die Berge sind geil: kaum einer ist ueber 1000m hoch, aber fast alle sind schroff, freistehend und starten nahe Meeresniveau. Davon kann man ein bis zwei taeglich machen. So wie es ist stehe ich vor einer Tafel, die sagt bei genauem Hinsehen muesse man einen weissen Felsen auf einem der Gipfel erkennen koennen - ich kann in der Wolke nicht einmal den Berg finden!

Gegen den Sturm fahre ich mit knirschend zusammengebissenen Zaehnen auf reiner Willenskraft. Ich schufte und maloche wie ein Tier und schaffe einen Schnitt von 12,9km/h! Fast 6 Stunden fuer 76km, aber immerhin 1159hm, das ist fuer die kurze Strecke auch nicht von schlechten Eltern. Als ich endlich Ullapool erreiche muss ich feststellen, dass weder heute noch morgen (Sonntag) Faehren fahren. grrrr!

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2004-07-23

Scotland

DER STURM! Und ich fahr frontal dagegen an. Wenn ich mich mit aller Kraft (und das ist nicht wenig ;-) ) in die Pedalen schmeisse schaffe ich etwas ueber 10km/h. Ein Kind steigt aus dem Auto und wird sofort umgeblasen. Ich kaufe ein halbes Kilogramm Brot und bin so bloed das abzulegen - 100m weiter hab ich es endlich eingefangen. Ein schottischer Biker kommt mir entgegen und freut sich. Er will aber auch bald Richtung Sueden und dann soll er wohl sein Fett wegkriegen. Ein Verkaeufer erfaehrt meine Fahrtrichtung und meint schlicht aber mit Nachdruck: "Impossible!"

Als kleine Pause mache ich ne Hoehlenbesichtigung. Regentropfen fuehlen sich an als wuerden sie kleine blutige Krater auf meiner Lippe hinterlassen. Wenn ich einen ins Auge bekomme bin ich sekundenlang blind. Autofahrer laecheln mich mitleidig an oder machen anfeuernde Gesten. Nach ueber 50km davon hab ich fast die Schnauze voll und bruelle meinen Frust in den Wind. Das einzige, was ich davon habe ist der irritierte Blick einiger Schafe. Versteht mich nicht falsch, minus den Regen mag ich solches Wetter. Wenn es zu Hause Sturmwarnungen gab sah man mich als erstes draussen. Aber dagegen anfahren ist hart.

Ein Gedanke fasziniert mich: Wenn es auf Meeresniveau schon so zur Sache geht, wie muss es dann erst weiter oben zugehen? Also fahre ich 10km Umweg auf den krassesten Gipfel zu, den ich am Horizont ausmachen kann. Zuerst scoute ich einmal halb um den Berg herum und mache mich dann an den Aufstieg. Nach 500hm erreiche ich den Westgrat, den ich mir als Gipfelroute ausgesucht habe. Das Ding ist nackter Fels, teilweise nicht einmal nen Meter breit und zu beiden Seiten geht es steil runter. Der Wind auf dieser Hoehe ist so krass, dass ich mich mit vollem Koerpergewicht dagegen lehnen muss, um stehenbleiben zu koennen, geschweige denn in gerader Linie einen Fuss vor den anderen setzen. Eine Wolke huellt alles ueber mir ein und Regen peitscht mit ohrenbetaeubendem Laerm gegen meine Kaputze. Ich habe maximal 2 Stunden Tageslicht und schaetzungsweise 200hm und den Abstieg vor mir. Irgendwann werde selbst ich von Vernunftsanfaellen heimgesucht und aendere meine Mission von: "Erreiche den Gipfel" auf "Komm hier lebend wieder runter".

Als Abstiegsroute waehle ich den steilen, aber windgeschuetzten (ich kann immerhin ruhig stehenbleiben) Nordhang, was den zusaetzlichen Vorteil hat, dass ich direkt bei meinem Zelt herauskomme. Hoellenanstrengend. Bergwandern in Schottland wird extrem erschwert dadurch, dass man fast immer durch nass feucht glitschiges Sumpfmoos und Gras laeuft. Manchmal ueberdeckt eine duenne Schicht davon tiefe Felsspalten. Das hat zur Folge, dass man sein Gewicht sehr lange auf einem Bein tragen muss, bevor man sicher ist, dass das andere nen festen Stand gefunden hat. Wie auch immer, ich hatte mein Sturmerlebnis, absolut grandiose Aussichten und lieg wieder gemuetlich im Zelt.

Jemand, der Ahnung von Bergen und Bergwandern hat, wuerde mich fuer die Aktion jetzt wahrscheinlich verpruegeln wollen. Aber was soll's?! Ich bin jung, gesund, stark und uebermuetig - und ausserdem Organspender ;-) Und mal ehrlich - wie oft im Leben hat man schon einmal die Chance ein derart gewaltiges Naturschauspiel aktiv und hautnahe zu erleben?! Jetzt hoffe ich nur noch, dass die alten Baeume am Fluss, in deren Windschatten mein Zelt steht, wirklich keine Widowmaker sind...

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2004-07-22

Scotland

Es ist nur leicht windig und die Viecher treiben mich halb in den Wahnsinn. Ich hab ja schon einiges erlebt und ueberlebt aber das hier toppt alles. Nicht einmal die Mueckenschwaerme in den Suempfen Canadas koennen da mithalten. Meine Nase sitzt voll mit den Dingern und in den Ohren summt und krabbelt es. Jeder Quadratzentimeter Haut an Armen, Haenden, Beinen und im Gesicht ist rot und geschwollen. Ich schmeiss all meinen Krempel ins Zelt und fluechte bergauf.

Ich attackiere die Flanke des Berges direkt querfeldein. Hat nen Effekt wie Treppensteigen, nur dass diese Treppe fast 1000m hoch ist, die Stufen mir entgegengeneigt sind und man wie mit Klettverschluessen unter den Sohlen laeuft: entweder geht es durch schmatzenden Sumpf, oder kniehohe, hoelzerne Bodendecker. Aber Gott sei Dank wird es stuermischer je hoeher ich komme.

Es regnet. Es ist eine Sache, die Wolken von unten mit irrer Geschwindigkeit ueber sich herrasen zu sehen, eine ganz andere da mittendrin zu stehen. Das ist ein Schauspiel! Auf dem Gipfel zeigt man Hoehenmesser statt der korrekten 961m nur 931m. Das ist ein gutes Zeichen, der funktioniert barometrisch, und wenn ich Hoehe verliere ist der Luftdruck gestiegen und das Wetter wird besser. Und tatsaechlich, es klart auf und die Aussicht wird fantastisch. Ich verliere eine Plastiktuete. Nun bin ich der letzte, der Muell einfach in der Landschaft herumliegen lassen wuerde, also will ich sie einsammeln. Nur das ist in diesem Falle leichter gesagt als getan: das Teil steigt vom Winde getragen immer hoeher, haelt sich eine geschlagene halbe Stunde (wirklich! ich hab auf die Uhr geguckt) ueber den Wolken, bevor sie dann in hohem Bogen den Weg ueber das Tal antritt. Die wird wohl jemand anders entsorgen muessen. Immerhin hab ich jetzt ein Foto von der Tuete, die hoch hinaus wollte.

Ich steige ab und reisse von Nasties verfolgt fluchtartig das Lager ab. Den ganzen Tag heute hatte ich nur einen Liter Cola und eine Packung Kekse als Energieversorgung, nach 15km aufm Fahrrad krieg ich ernsthaft Hunger. Ich setze meine Hoffnung auf das Oertchen Hope, das entpuppt sich aber als eine Siedlung bestehend aus ganzen drei Bauernhaeusern. Also beende ich den Tag bereits nach 46km und rette mich mit meinen Reservenudeln. Ich habe ein traumhaftes Camp hoch ueber einer Meeresbucht, in einer Richtung Blick ueber den Atlantik, in der anderen die Bucht und Berge - und das Beste: keine Nasties!

Mein Versorgungsengpass aergert mich, da ich so gezwungen war an Ben Hope, einem weiteren 1000er einfach vorbeizufahren. Eigentlich waere ich da gerne auch noch hochgelaufen. Auffaellig: an den Strassen stehen "caution lambs" und "Achtung: Laemmer auf der Strasse" Schilder. Peinlich. Sind wir Deutschen mal wieder so bloed, dass wir eine extra Behandlung benoetigen?

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2004-07-21

Scotland

Bei erneuter Suche finde ich meine Zeltstangentasche wieder. Es ist weiterhin sehr windig, aber wie ich mittlerweile gelernt habe ist Schottland ohne den Wind wegen der Insekten unertraeglich - also freue ich mich darueber. Ich fahre ganz hoch an die Atlantikkueste und ueberlege kurz, ob ich die Wartezeit auf Volker an einem der Sandstraende verbringen sollte. Aber am Horizont sind neue Berge aufgetaucht, also fahr ich wieder Richtung Sueden, so dass der Tag heute im wesentlichen ein Riesenumweg zum Sightseeing war. Dafuer hab ich jetzt mein Camp am Fusse des hoechsten Berges in der Umgebung - morgen frueh kanns losgehen.

Die Landschaft hier ist wunderschoen mit vielen Seen und Huegeln. Wunderbar leer ausserdem. Ich quatsch mit mehreren Trueppchen Reiseradlern, sind aber alles nur Kurzurlauber und nur in Schottland unterwegs. Ein Paerchen faehrt mit nem beladenen Tandem (waer das nicht mal ne Idee Anita?! ;-) ).

Ich komme an einem Campingplatz vorbei, der ein grosses Schild "no tents" am Eingang hat. Na herzlichen Glueckwunsch! Das ist ja wie ein Schwimmbad mit "no swimming" Schild. Ich nutze das letzte Licht des Tages zum Schreiben - boeser Fehler! In der Daemmerung legt sich auch der Wind und Schwaerme von Schwaermen von den kleinen fliegenden Nasties sind unterwegs. Ich koche, indem ich im Zelt sitze und mit einer Hand den Kocher davor bediene. Das Fliegengitter ist geschlossen bis auf das Loch fuer meinen Arm.

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2004-07-20

Scotland

Trotzt der Tatsache, dass ich mein Zelt immer nur mit Hechtspruengen betreten und verlassen habe und das Fliegengitter quasi immer zu war, wimmelt es drinnen von den kleinen Scheissviechern. Erschlagen kann man sie nicht wirkungsvoll also versuch ichs mit ner Kerze - und fackel dabei fast das Zelt ab. Mein Innenzelt ist nun ein bisschen angeschmorrt. Hilft alles nichts, also schlaf ich mit Buff und langen Klamotten, was viel zu warm ist.

Da freu ich mich glatt ueber den Gegensturm heute morgen - der vertreibt wenigstens die Biester. Wusste nicht, dass das Nordseeoel so dicht an der Kueste gefunden wurde, aber eine Bucht hier beherbergt ein halbes dutzend Bohrinseln. Auf Denkmaelern und Parkbanken etc gibt es oft Aufkleber mit dem Hinweis, dass sie aus dem staatlichen Lotteriefund bezahlt wurden. Was wird bei uns mit den Lottoeinnahmen gemacht? "Tax for the mathematically challenged".

Schafe, ueberall Schafe! Frisch geschoren sehen sie irgendwie armselig aus...

Ich mach gerade Mittag auf ner Parkbank als ein alter Reiseradler bei mir haelt. Er ist Rentner, vor 40Jahren von England nach Neuseeland ausgewandert und seit 12 Jahren und ~250.000km mit dem Fahrrad unterwegs. Mit ein paar Wochen Aufenthalt in seiner Wahlheimat jedes Jahr. Er warnt nachdruecklich vor Afrika. Und spricht mir voll aus der Seele, als er eine Rede haelt warum er seine eigene Website abgeschafft hat. Er war es leid angemacht zu werden von Leuten, dass er mails nicht, oder spaet beantwortete. "People think you are having a good time when in reality its more like a job. Cycling, trying to find food and water and a place to sleep. They don't appreciate the amount of work required just staying alive - let alone sitting in front of a keyboard typing emails." Amen to that brother!

Aber versteht mich nicht falsch, ich bekomme gerne mails - in gewisser Hinsicht halten die mich am Leben. Ich beantworte sie auch gerne, jeder, der mir frueher schon geschrieben hat, weiss, dass ich das auch prompt und ausfuehrlich tue. Doch auf Tour vergehen nunmal oft Wochen ehe ich Gelegenheit und Musse dazu habe. Von technischen Problemen mal ganz abgesehen. "Which country did you like best?" - "Always the next one".

Ich fahre 70km und lande mitten im nirgendwo, nicht einmal Schafe gibt es. Am Horizont konnte ich die ganze Zeit zwei Berge sehen, ohne dass ich sagen konnte welches der hoehere ist. Das aergert mich, normalerweise kann ich sowas ganz gut einschaetzen. Also fahr ich ein paar km querfeldein, wandere ein paar weitere km querfeldein, wandere ein paar weitere km durch das Hochmoor, jeder Schritt schmatzt, und besteige den ersten: 611m. Wieder komplett runter und rauf auf den zweiten: 608m. Aha, kein Wunder, dass mir da das Augenmass versagte.

Unterwegs habe ich mehrfach ein Rudel Rehe aufgescheucht, wenigstens 30 Tiere. So in Masse ueber die Haenge jagend sehen die verdammt elegant beeindruckend aus. Auf dem ersten Gipfel war es windig, auf dem zweiten musste ich mich breitbeinig gegen den Sturm stemmen, um die Kamera fuer Fotos wenigstens ansatzweise ruhig zu halten. Und als ich wieder runterkomme ist die Hoelle los. Ich fahre in einem meiner kleinsten Gaenge, der sonst Steigungen >10% vorbehalten ist, auf ebener Strecke gegen den Wind. Beim Zeltaufbau wird mir die Tasche fuer die Stangen aus der Hand gerissen und verschwindet auf Nimmerwiedersehen, obwohl ich eine sofortige search and rescue mission starte. Es regnet, was den abgefahrenen Effekt hat, dass die eine Zeltseite nass ist, waehrend die lee Seite komplett trocken bleibt. Ich benutze alle 18 Heringe und dennoch ist richtig Leben in der Bude. Mir egal, mein Bauch ist voll, ich bin nach 76 Fahrradkilometern mit 1000hm plus etlichen gewanderten Kilometern mit mehr als 1200hm richtig angenehm erschoepft... ;-)

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2004-07-19

Scotland

Mein Zelt hatte ich gestern neben das eines anderen Radfahrers gestellt, obwohl dieser bereits schlief. Heute morgen hoere ich ihn dann um 0600Uhr aufbrechen. Ok, mit dem haette ich Langschlaefer eh nicht fahren koennen ;-) Da ist das Zelt doch noch nicht einmal trocken vom Morgentau, geschweige denn ich auch nur ansatzweise einsatzfaehig...

Den Grossteil des Tages verbringe ich in einer Buecherei am Rechner und verschiedenen Geschaeften. Danach fahre ich eine einspurige Strasse in ein Gebiet, in dem nichts und niemand ist. Zum einen liegt das daran, dass sie nirgendwo hinfuehrt und nur ein Riesenumweg ist, und zum anderen ... an einem wunderschoenen See will ich mein Zelt aufschlagen aber es dauert keine 10 Sekunden da ist die Luft schwarz von midges. Ich schneide mir aus meinem Buff eine Skimuetze, so dass nur noch Augen (hinter der Brille), Nase und Mund herausgucken. Es geht trotzdem nicht. Ich habe Hustenkraempfe weil ich so viele von den Biestern einatme, meine Augen brenen weil sie mir ueber und unter die Lieder krabbeln und meine Fingerspitzen, die aus den Bikehandschuhen herausragen sind knallrot von Bissen. Was gaebe ich jetzt fuer einen anstaendigen Sturm. Stattdessen fluechte ich mehrere Kilometer weiter, habe nur noch 1 Mio statt zig Mrd der Viecher um mich, einen Charakteruntergrund samt einsetzendem Regen - na toll! Ich bin durch gesamt Skandinavien geradelt ohne einen einzigen Mueckenstich und nun holen die no-see-ems alles nach.

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2004-07-18

Scotland

Der Tag beginnt mit Regen und einem gross angekuendigten Pass. Dieser ist mit gerade einmal 405m eher ein mickriges Paesschen, wie ueberhaupt die ganzen Highlands enttaeuschend low sind. Spaeter scheint die Sonne, aber ueber Schottland muessen heute Wirbelstuerme gezogen sein. Meine Fahrtrichtung bleibt relativ konstant, aber mal flattern mir die Backen gegen den Wind, dann segel ich selbst bergauf noch davor her und dann ist es voellig windstill - im Auge des Sturms. Das Spielchen wiederholt sich mehrfach und auf der Meerbruecke bei Inverness hab ich derart starken Seitenwind, dass ich wie betrunken Schlangenlinie fahre. Mind you, normalerweise kann ich ohne mich besonders darauf zu konzentrieren kilometerlang auf dem 10cm breiten weissen Seitenstreifen balancieren.

Zwei Anhalter wollen von mir mitgenommen werden. Sie sind aus der Tschechei hierhin getrampt mit Zelt und Rucksack, weil ihnen in Frankreich mal jemand nen Ort in Nordschottland als sehenswert empfohlen hat. Coole Aktion - aber leider ist mein Bike schon zu beladen um die beiden auch noch mitzunehmen ;-)

An einer Stonehenge maessigen Begraebnisstaette von Ewigkeiten vor Christi Geburt treffe ich zwei 17 jaehrige Biker(-innen, 1 Maennchen und 1 Weibchen) aus Berlin und fahre n Weilchen mit ihnen zusammen. Sie fahren aber kleinere Tagesetappen, muessen bald zurueck und biegen sowieso bei Loch Ness ab, Nessi begucken, also trennen wir uns bald wieder.

Mein Hinterrad hat schon wieder ne Scherbe gefunden und so schlepp ich mich mit der letzten Luft darin auf nen Campingplatz. Mein Tacho hat in der Zwischenzeit auch den Geist aufgegeben und ich bewege mich demnach mit konstanten 0 km/h fort. Hab ich doch schon immer gewusst! Die Welt dreht sich um mich - das ist der Beweis! ;-) Alles eine Frage des Bezugssystems...

Mein MiniDisc Player ist leer und die einzige Chance den in einer 115V Welt zu laden sind die Waschraeume auf Campingplaetzen. Die haben immer Adapter fuer die Rasierapparate. Allerdings ist das eine mehr als duerftige Loesung - diebstahlgefaehrdet, nass und beschissen wakelige Stecker, die jedesmal rausfallen, wenn jemand die Tuer schliesst. Internet gibts nicht, Fahrradladen auch nicht und die Buechertauschecke auf dem Campingplatz ist leer - grmpf! Zudem ist der Platz voll mit Gelaendewagen, die an irgendeiner "tough trucks trophy" teilnehmen - doppel grmpf! Dafuer sind die Duschen kostenlos (bei Platzgebuehren von 7 Pfund wohl das mindeste...) und das wird genutzt bis zum letzten Tropfen.

Fast vergessen, heute war auch das Superblutbad. Schottland scheint unter einer Kaninchenplage zu leiden, es gab hunderte und um mein Zelt hoppeln sie auch gerade. Bei 70 plattgefahrenen (auf 114km Strecke) hab ich aufgehoert mitzuzaehlen, dazu die ueblichen paar dutzend Voegel und um das ganze geschmacklich abzurunden und zu verfeinern 3 Fuechse, 1 Katze, 1 Schaf und ein Reh - alle schoen streichfertig auf die Strasse geschmiert. Und das, obwohl ich fast die ganze Zeit irgendwelchen Radwegen auf fast stillgelegten Strassen gefolgt bin! Irgendwer hat sich naemlich ueberlegt es sei ne gute Idee parallel zu der existierenden Strasse eine neue, doppelt so breite, zu bauen. Einziger Vorteil: die alte ist fast Fahrraeder only.

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2004-07-17

Scotland

Seit ich auf der Insel bin hat es jede Nacht geregnet. Meistens hoerte es dann vormittags irgendwann auf - heute nicht. Ich starte also erst um 1900 Uhr und da ist es schon fast wieder dunkel. Ich fahre gegen den Wind ueber nen kleinen (462m) Pass und baue danach das Zelt in erneutem Regen auf. Mein Tacho spinnt, waehrend der Fahrt faellt die Geschwindigkeit oft rapide ab und erreicht manchmal sogar 0 km/h. Offensichtlich bekommt das Zaehlwerk nicht mehr jede Umdrehung des Magneten mit. Ich vermute die Batterie des Senders ist fast leer. Haette eh lieber nen verkabelten Tacho gehabt, aber den gabs nicht. Kabellos macht wohl nur wirklich fuer Federgabeln Sinn, fuer mich bedeutet das 3 Batterien statt einer.

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2004-07-16

Scotland

Das ganze Royal dies, Queen das, Saint Sowieso geht mir irgendwie auf die Eier. Es gibt hier in Schottland richtig patriotische, anti Englische, Postkarten zu kaufen. So nach dem Motto: fuer unsere Freiheit kaempfen wir bis zum letzten Mann, Weib, Kind und Krueppel. An der Kasse mache ich ne Bemerkung, dass ich noch nicht ganz auf das Muenzgeld klarkomme und frage was denn gegen den Euro spricht: "Its the bloody English thats against the Euro, not us!" Aha. Mit dem Euro wuerden sie ihre Fahrraeder (es ist ein Radladen) wohl wesentlich guenstiger vom Kontinent kriegen.

Ich habs aufgegeben mit meinem Staender und kaufe nen neuen, der beim Tretlager an den Rahmen geschraubt wird. Das scheiss Teil haelt genau zweimal Aufsetzen aus, dann fliegt mir die verstellbare Verlaengerung beim Fahren in die Speichen! Und das auf einer vierspurigen (baulich getrennte Fahrbahnen), vielbefahrenen Strasse. Es fehlt nur der Randstreifen und es waere ne Autobahn bzw Motorway. Ich befinde mich auch nur darauf, da der Radweg unvermittelt davor endete um 10km spaeter wieder davon abzuzweigen - welch geniale Strassenfuehrung! Naja, kaum Schaden und den Staender bieg ich auch wieder einigermassen hin. Aber scheisse! Ich hab denen meinen guten alten unzerstoerbaren Pletscher dagelassen! Der trug das Bike ohne Probleme selbst auf ner schwankenden Faehre. Nur die Schrauben halt nicht. Der junge Angestellte im Laden ist Mountainbike downhiller und hat sein 2000Pfund Geraet auf Hochglanz poliert im Laden stehen - morgen nimmt er damit an den britischen Meisterschaften teil. Die erreiche ich leider nicht mehr rechtzeitig - schade, haette ich gerne gesehen.

Ich finde nen online Schuppen mit ner kompetenten Betreiberin, die mir endlich ohne Schwierigkeiten meine Fotos (und Videos! tada!) auf CD brennt.

Je weiter ich nach Norden komme desto schoener (und touristiger und bergiger. Die Orte scheinen manchmal fast ausschliesslich aus B&Bs und Hotels zu bestehen) wird Schottland. Aber... Hilfe! Ich hab mein Herz an und in Norwegen verloren. Jemand schicke es mir bitte hinterher damit ich auch andere Laender wieder angemessen wuerdigen kann! Meine Ma hat mir ne mail geschickt und meinte ich sei den Trollstiegen Pass schon einmal gefahren - als ich 1,5 Jahre alt war (wohl noch mit Stuetzraedern damals ;-) ). Damals habe sie mich oefter in dem Gletscherwasser der Berge gewaschen. Das duerfte dann wohl einige meiner kleineren Einschlaege erklaeren... ;-)

Beim Einkaufen in einem Superstore spricht mich die Security Frau an. Ich denke erst sie hat etwas gegen meinen Bike Parkplatz - an die Wand gelehnt. Aber im Gegenteil, ich solle es doch an die Glasfront lehnen, damit sie es waehrend meines Einkaufs im Auge behalten kann. Hmm... soviel Vorsicht noetig?!

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2004-07-15

Scotland

Mir gehts immer noch schlecht, aber ich will die Staedte hinter mich bringen, also los. Denkste. Mein Hinterrad ist wieder platt. Beim Flicken im Regen letztens war ich wohl etwas hastig und hab die Scherbe nicht vollstaendig herausgezogen sondern zerbroeselt. Die Reste sind fuer den erneuten Plattfuss verantwortlich. Geflickt.

Los kann ich dennoch nicht, weil wieder eine meiner Packtaschen ausgerissen ist. Wer immer bei Ortlieb auf die Idee gekommen ist Holzgewindeschrauben in Plastikmuttern zu drehen hat ein paar kraeftige Backpfeifen verdient. An meinen Taschen ersetze ich die jetzt nach und nach mit vernuenftigen Schrauben/Muttern. In drei Fahrradlaeden und drei Autowerkstaetten frage ich an, ob sie mir meine Schrauben fuer den Staender ausbohren koennen. Es gibt zwei Antworten: "Nein" und "dauert mindestens einen Tag". Grrrmpf. Das entwickelt sich zu einem groesseren Problem als erwartet.

Die Haeuser tragen alle Namen, wie lustig. Wie wuerde meins wohl heissen? Maniac Manor? Cyclists Shed? BuschnicK's Bunker? Ich radel wieder durch allerlei Scherbenhaufen und trage mein Rad diverse Treppen hoch und runter. Ein aelteres niederlaendisches Paerchen kommt mir entgegengeradelt und warnt mich vor dem Radweg Richtung Norden, der sei eine Katastrophe. Ein paar Jungs begleiten mich ne Weile. Es sind aber je zwei auf einem klapprigen Mountainbike und wir eine Verkehrsgefaehrdung - also hat die Aktion keine grosse Zukunft.

Ich kaufte 4 Artikel und bekam die an der Kasse in 3 Tueten verpackt - ich dachte diese Umweltsuenden haetten wir schon seit Jahren hinter uns gelassen? Links fahren ist kein Problem, das hab ich mir sofort angewoehnt (und meinen Spiegel umgebaut), aber ich glaube ich werde niemals spontan in die richtige Richtung gucken. Und dabei steht schon immer gross "look right" auf die Strasse geschrieben.

In der Buecherei hab ich 30min online Zeit um mehr als 20 mails zu beantworten - haha! Dafuer kann ich dort in der used books section mein Buch tauschen. Wiztig, was man auf die Art alles zu lesen bekommt: Ich bin gestartet im China des 19Jhdts waehrend der Boxer Revolution, dann zu nem schottischen Tierarzt gekommen, mit Canadiern in Madagaskar Oel bohren gewesen, anschliessend mit Napoleon gegen Moskau gezogen um danach als britischer Commando in Kajaks deutsche Schiffe zu versenken. Momentan bin ich under cover unterwegs nach Afghanistan. Bis auf die Oelgeschichte sind alles entweder wahre Begebenheiten oder zumindest stories mit realem geschichtlichen Hintergrund.

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2004-07-14

Scotland

Hervorragendes Wetter, strahlende Sonne und Sommerstuermchen zum Abkuehlen. Ich bleibe aber im Zelt um auszukurieren was immer ich habe. Grrrmpf! Eigentlich sollte ich es langsam gelernt haben: bevor ich mich irgendwo kratze kontrollieren obs nicht ne Zecke ist! Auf Tour hab ich mir bereits drei von den Viechern kaputtgekratzt und danach sind sie immer so muehsam zu entfernen...

Wow! Hab nicht gewusst wie moderne Hauszelte aussehen. Riesige Teile, 3 Zimmer + Flur, aufrecht begehbar. Stehen ein paar von auf dem Platz hier. Nachteil ist, dass man ne entsprechend grosse, ebene Flaeche braucht - wildcampen ist damit nicht drin. Aber Comfort ist 1a. Nach meiner ersten Portion Fish and Chips bin ich nun offiziell auf der Insel angekommen.

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2004-07-13

Scotland

Als wenn ich noch mehr Beweise gebraucht haette wird auch England schoen sobald man nur weit genug von den Staedten weg ist. So fahre ich ueber einspurige Feldwege zwischen hohen Hecken und Maeuerchen durch die Aecker; ueber sandige Schotterpisten durch Duenen und schlammig Kuhpfade auf der Steilkueste ueber dem Meer. Vorbei an alten Burgen und Haeusern. Die Landbevoelkerung scheint im Durchschnittsalter weit jenseits der 60 zu liegen und zu den Gebaeuden zu passen.

Per Haengebruecke gehts ueber den Fluss Tweed und damit nach Schottland. Dort fahre ich einen Umweg in die Sackgasse zum St Abbs Head Nationalpark, einer sehenswerten Klippe in die Nordsee. Allerdings bin ich durch Norwegen etwas verwoehnt was Klippen angeht und die gerade einmal 90m beeindrucken mich nicht sonderlich ;-)

Mir gehts immer noch total beschissen, ich schleiche die Kilometer muehsam ab, und so lasse ich mich abends auf nem Campingplatz nieder um der Wasser und Zeltplatzsuche zu entgehen. Beides nicht so einfach, da jeder Quadratzentimeter Land kultiviert ist und Oberflaechenwasser komplett verseucht. Ich muss wohl ziemlich fertig ausgesehen haben, denn die erste Frage auf dem Platz ist ob alles in Ordnung sei mit mir. Ich will frueh schlafen, bin aber umzingelt von 3 Zelten: aus dem einen schallen ein Radio und kichernde Goeren, aus dem anderen ein Generator und heulendes Baby und aus dem dritten der lautstarke Streit eines Paerchens und anschliessend ihr Versoehnungssex. Und mittendurch rennen klaeffende Koeter. Na dann, gute Nacht!

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2004-07-12

England

There's nothing "great" about Britain. Its a filthy, dirty, polluted, hostile, overcrowded, poor and butt-ugly country that desperately tries to hold on to a great past and fails miserably. Vergesst was ich ueber Bergens Verkehr gesagt habe - der gesamte Verkehr Norwegens kann nicht mit der kleinsten englischen Landstrasse mithalten. Noch nie in meinem Leben habe ich derart viele Verbots und Drohschilder gesehen: alles ist private, keep out, ueberall wird mit hohen Geldstrafen, der Polizei, Sicherheitsdiensten, Alarmanlagen und Videoueberwachung gedroht. Ueberlandleitungen sind mit Stacheldrahtbarrikaden gesichert. Es ist als ob das Land Angst vor der eigenen Bevoelkerung haette.

Ich fahre die angeblich "scenic" (es gibt nichts zu sehen) coastal route gegen starken Nordwind. An einem Bikeladen (der aus Sicherheitsgruenden immer nur zwei Leute gleichzeitig in den Laden laesst) halte ich, und will meine abgebrochenen Schrauben des Staenders ausbohren lassen. Der Besitzer sieht, dass nicht viel zu verdienen ist und schickt mich weg. Jedes fuenfte Haus hat ein for sale Schild vor der Tuer. Das einzige, was Britain sich aus seiner glorreichen Vergangenheit retten konnte sind eine Menge verfallende alte Prunkgemaeuer und ein unsaegliches Masssystem von miles, yards, foot and inch.

Ok, erase and rewind. It always takes me a while to get used to a new country and to find my way around. And I cannot go on like this. So I make a very consciouss effort to like England. I zigzag around tiny country villages, choose my route not for my final destination but follow the smallest roads I can find. It works.

Die Huegel erstrecken sich in alle Richtungen bis zum Horizont, der Wind spielt im Getreide, Fuechse liegen tot am Strassenrand, Schafe grasen friedlich, Doerfchen sind klein und kuschelig in die Taeler gebettet und manchmal eroeffnet sich mir der Blick bis aufs Meer. Die Felder sind mit verwitterten alten Steinmaeuerchen eingegrenzt und immer weider gibt es kleine Waldstueckchen. In einem solchen schlage ich unter uralten Buchen mein Lager auf, mit 360 Grad Panorama Blick ueber die Landschaft.

I still cant help the feeling that everything around me is either dead or dieing. With all the old ivory covered stone buildings and their "for sale" signs. A country suffocating on its own demanding past and current pollution and unemployment problems. Crumbling empire.

Ich leg mich schon um 1900 Uhr flach. Bin heute den ganzen Tag mit Beinen wie aus Gummi gefahren, jede noch so kleine Steigung hat mich fertig gemacht und wenn ich vom Rad gestiegen bin wurd mir oft kurzfristig schwarz vor Augen und schwindelig. Gar nicht gut. Hab keine Lust krank zu werden. Scheisse! Tiefflieger sind hier offensichtlich erlaubt. So ein unertraeglicher Laerm.

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2004-07-11

England

"You never get a second chance to make a first impression". England versagt auf ganzer Linie. Es regnet, ich fahre auf dem national cycle network. Mit Glassplittern uebersaet, Treppenstufen hoch und runter und durch Barrikaden, die sich mit nem beladenen Rad unmoeglich fahren lassen. Nach nicht einmal 10km ist mein Hinterrad platt. Es ist dreckig, die braune Bruehe eines Kanals umspuelt alte Fahrraeder, Einkaufswagen und sonstigen Schrott. Ueberall sind Zaeune, oft mit Stacheldraht gekroent, manchmal sogar elektrisch. Fenster sind vergittert, eine Meute Halbstarker schmeisst Steine gegen die Hauswand. 3 Maedels quatschen mich an. Der Slang hier ist brutal, wenn sie miteinander reden versteh ich bestenfalls jedes dritte Wort, wenn sie mich ansprechen, jedes zweite. Da koennen sie auch gleich Norwegisch sprechen - und mein Englisch ist durchaus nicht schlecht. Eine von ihnen will mein Fahrrad haben, als ich ihr den Wunsch ausschlage rennen sie mir hinterher und treten gegen das Rad.

Sightseeing in Newcastle. Viele alte Brownstones, viele Bruecken, viele Verbote, viele Hinweise auf dem Asphalt, Linksverkehr. Nix wie weg! An einer Tanke bricht mein Staender ab. Ich verliere den Radweg und lande mehrfach fast auf der Autobahn. Der Verkehr ist uebel, Haeuser und Landschaft haesslich. Mein Camp schlage ich auf irgendner schlammigen Muellwiese auf. So kurz davor aufzugeben war ich noch nie.

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2004-07-10

Norway

Sobald man erstmal weg von den Haupteinfallsstrassen ist, ist Bergen ganz nett. Eine Stadt von mehr als 200.000 eingeklemmt in die steilen Fjorde. Ich schlender ne Weile durch die Strassen und ueber den weltberuehmten alten Fischmarkt. Das Flair ist sehr international, die Preise sind in Norwegischen Kronen, Euro und US Dollar ausgeschrieben. Man hoert mehr englische Akzente und und Gestotter als Norwegisch.

Was mich aber so richtig interessiert ist nicht die Stadt sondern die Segelschiffe im Hafen. Die groesste Dreimastbark der Welt liegt vor Anker, viele kleine Segelschiffe und ein morderner, grosser Zweimaster. Vor diesem verbringe ich meine Wartezeit auf die Faehre und schaue barfuessigen Seeleuten zu, wie sie das Schiff auf Hochglanz polieren und reparieren. Einmal mit so einem Ding in See stechen...

Ein Motorradfahrer spricht mich an. Er hat den Artikel in der Zeitung ueber mich gelesen. Wohl fast ne Seite mit Foto. Hatte ich total vergessen - mir haette ja auch ruhig mal einfallen koennen selbst ne Zeitung zu kaufen wenn ich schonmal drin bin. Naja.

Die Ueberfahrt dauert mehr als 23 Stunden, da es zunaechst noch suedwaerts an Norwegens Kueste entlang geht weitere Passagiere einsammeln. Ich war geizig, habe keine Kabine - und dafuer den besten Platz auf dem ganzen Schiff! Es gibt ~200 Liegesitze, 15m ueber dem Wasser auf dem obersten (dem siebten) Deck, mit grossen Aussichtsfenstern nach vorne unmittelbar unter der Bruecke. Den Raum teile ich mir mit gerade mal 5 weiteren Personen, und so dauert es nicht lange, bis jeder von uns sich nen Haufen Decken von den Stuehlen gesammelt und ein gemuetliches Nest gebaut hat. Im Bordkino seh ich mir "The day after tomorrow" an. Voellig banales 08/15 Hollywood Machwerk, bis ins Detail vorhersagbar wie ein Uhrwerk. Bin nur reingegangen, weil ich ein Fan von Endzeitszenarien bin und es an Bord sonst nicht viel zu tun gibt. Wenigstens meckert Emmerich die Umweltprobleme an und ist damit wesentlich lauter als ich - vielleicht hilfts ja. Der Film wurde mit nem Beamer gezeigt und der Scrolltext, der die oeffentliche Vorfuehrung untersagt, schnell ueberspult - LOL. Obwohl der Kahn, die MS Jupiter, diesmal mehr als 20.000 Bruttoregistertonnen auf die Waage bringt, ist der Seegang deutlich spuerbar und manches mal sieht man unsicher taumelnde Leute.

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2004-07-09

Norway

Gestern bin ich noch um ein Haar gegeekt worden weil ein MPV nicht IRQ faehig war (decode that! ;-) ), heute habe ich den ersten Roadkill meines Lebens zu verantworten - ausgerechnet mit dem Fahrrad! Gestern bin ich mit mehr als 30 Sachen einer abknickenden Vorfahrt gefolgt, als mir ein Auto eben diese genommen hat. Heute sass ein kleiner brauner Vogel mitten auf dem schmalen Radweg. Die seh ich haeufig und normalerweise bleiben sie still sitzen. Dieser springt auf mich zu. Mit dem Vorderrad kann ich ihm noch ausweichen, aber ich muss in Zeitlupe hoeren, sehen und spueren wie ich mit meinem Hinterrad die Knochen in dem kleinen Koerper zerbreche. Ich stehe daneben und schaue dem Tier in seinem Todeskampf zu. Es waere ein leichtes gewesen das zu beenden indem ich ihn die Klippe runterwerfe oder sonstwas. Aber meiner festen Ueberzeugung nach ist der (Ueber-)Lebenswille eines jeden Lebewesens sein staerkster Trieb. Die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Ich will nicht derjenige sein dies zu nehmen. Den Vogel zu toeten haette nur dazu gedient mein eigenes Gewissen zu beruhigen "dann leidet er nicht so". Man muss nur Erfahrungsberichte wie den des verunglueckten Bergsteigers Joe Simmons ("In eisigen Hoehen" hiess es glaub ich) lesen, um zu wissen, dass Lebewesen schier unmoegliche Qualen erdulden koennen/muessen/wollen - selbst in ausweglosen Situationen. Aber oerg! Das war bitter.

Aaaargh! meine Foto Frustration geht weiter. Ein Laden, an dem gross www.digitalfoto.no prangt. Eine Fotostation. Gut, denk ich, kann ich diesmal selbst brennen. Choose your language. Access violation. Choose your language. Blue screen. Videos kann es nicht brennen. Es ist nicht davon zu ueberzeugen, dass ich nicht 3000NOK fuer 800Abzuege zahlen will. Burn. Blue screen. Also eine der drei Damen bitten mir Kopien am Rechner zu machen. Videos koennen auch sie nicht. 3 Stunden vergehen und am Ende hab ich 2 700MB CDs mit je einem 256MB Chip drauf (hoffentlich). Was eine Verschwendung! 1 Chip ist unbearbeitet. Wieso duerfen derart inkompetente Stuemper und Totalversager ihren Job behalten?! Ich habe eine solche Wut im Bauch, dass ich mich auf den folgenden Serpentinen erstmal total verausgabe.

Es geht bergauf durch eine Serie von Tunneln, in denen ich regelmaessig angehupt werde, weil die Autofahrer meinen, ich solle doch den Radweg aussen herum nutzen. Was die freundlichen Herren dabei getrost ignorieren ist, dass dieser durch diverse Erdrutsche in die Schlucht befoerdert und gesperrt wurde. 70km vor Bergen kann ich den Kollateralschaden der Stadt in Form einer nicht abreissenden, laermenden und stinkenden Blechlawine zu spueren. Nach dem ersten dutzend Tunnel hoere ich auf mitzuzaehlen. Es gibt den Versuch von Radwegen: schweizer Kaese Betondecke, voellig sinnnlose 18% Steigungen (neben der eben verlaufenden Strasse) und ein Umweg von 25km (nicht schlecht auf 70km Gesamtstrecke!). Es regnet. Schon beeindruckend, wie man selbst einen Traum von Land und Landschaft wie Norwegen voellig zugrunde richten kann indem man lediglich genuegend Autos in die Gegend kotzt. Tote Viecher gibt es alle paar km zu bestaunen. Irgendwann ist der Mensch Soeren nicht mehr existent und an seine Stelle ist ein weissgluehendes Knaeul Hass getreten. Heute wuerde ich mit Freuden Gullideckel von Autobahnbruecken werfen.

Der Campingplatz kostet Unsummen, da man fuer jeden Furz Wertmarken braucht. Meine "Scandinavian Camping Card" wurde bisher auch nur auf dem Platz akzeptiert, auf dem ich sie kaufte. 6 Euro gekostet, 1 Euro "gespart". Mein Kocher funktioniert nicht, also zahl ich fuer ne Herdplatte. Immerhin lerne ich ein nettes deutsches Motorradfahrerpaerchen kennen, mit denen ich mich ein paar Stunden unterhalte. Test der Frustrationstoleranz bis ans Limit. Und ich hab noch nicht einmal vom Waeschewaschen, dem plaerrenden Radio neben meinem Zelt, dem ueberfuellten Platz und no-see-ems angefangen...

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2004-07-08

Norway

Schade, dass niemand auf meine Wette eingegangen ist, sonst koennte ich jetzt anfangen, Geld zu verdienen. Bevor ich losfuhr habe ich jedem offeriert, mit 100Euro Schulden bei ihm zu starten. Jeden geradelten Kilometer zahlt er mir jedoch 1 Cent. Nach 10000km bin ich schuldenfrei und fang an zu verdienen. Aber irgendwie haben alle, mit denen ich laenger darueber gesprochen habe, mir zugetraut so weit zu kommen und Angst um ihr Geld bekommen. (Oder sie wollten mich armen Irren nicht ausnutzen und ausnehmen - aber ich ziehe es vor an Variante a) zu glauben ;-) ).

Von meinem Panorama Camp (die ganze Nacht sind Moewen auf meinem Zelt gelandet) hoch ueber dem Fjord aus kann ich beobachten wie das kleine weisse Spielzeugschiff von Faehre bedenklich schnell groesser wird und sich meinem Anleger naehert - also in Rekordzeit abbauen und direkt runter aufs Schiff rollen. Auf der anderen Seite 250hm Serpentinen erledigen und runterrollen bis zum naechsten grossen Ort (Sogndal). Dort finde ich nen digitalen Fotoshop, was mir perfekt in den Kram passt, weil meien Chips alle bis zur Oberkante voll sind. Leider verzweifel ich an der Inkompetenz der beiden Mitarbeiterinnen. Um herauszufinden wieviele CDs benoetigt werden fragen sie mich nach der Anzahl Fotos und nicht MB - meine Alarmsirenen gehen an. Als ich auf meinen Hinweis, dass die Chips nicht nur Fotos, sondern auch Videos enthalten, ein Starren blanken Entsetzens ernte rauf ich mir fast die Haare. Dann wird mir ein unmoeglich hoher Preis pro CD genannt und eine Bearbeitungszeit von mindestens 8 Stunden, da von jedem Bild einzeln die Farben angepasst werden muessten. Hilfe! Das letzte, was ich will, ist das diese beiden Stuemper die Farben meiner Bilder versauen, das mach ich lieber selbst, danke. Ich fluechte. Mega aerferlich, haetten sie mich einfach an ihren Rechner gelassen haette das was ich wollte, naemlich eine simple 1:1 Kopie von Chip auf CD hoechstens ne halbe Stunde gedauert. Hat bisher jeder Fotoshop auch problemlos gemacht. grrr!

Der Fjord ist 205km lang, bis zu 1400m tief (was vom Grund des Fjordes bis zum Gipfel der Berge einen Hoehenunterschied von 3500m bedeutet), hat viele lange Seitenarme und war Schauplatz fuer die beruehmteste Seeschlacht Norwegens im Jahre 1184. King Sverre mit 14 Schiffen gegen King Magnus mit 26. Sverre hat gesiegt, 2160 Leichen, aber fortan waren die Machtverhaeltnisse in Norwegen erstmal geklaert.

Um auch mal was positives zum Wetter zu sagen: strahlend blauer Himmel bei 25C und leichte Brise von vorn, damit ich nicht ueberhitze - perfekt. Hab ich mittlerweile ein Timing fuer Faehren: ich komm nach Hella, roll aufs Schiff und wir legen ab. Dem Fjord zu folgen waer ja bestimmt auch ganz reizvoll gewesen, aber ich steh lieber selbst im Schnee statt die weissen Gipfel nur von unten zu sehen. Also bin ich knapp zwei Stunden spaeter fast 1000m hoeher auf dem Weg ueber das Vikafjellet. Der Rastplatz ist belagert von einer Brigarde Terrorschafe, die so aufdringlich sind, dass die Leute (Einheimische, Touris halten Kameras drauf und fuettern) ihnen auf den Kopf hauen, damit sie verschwinden. Es liegt nur enttaeuschend wenig Schnee, dafuer gibts wieder son Lappenzeltlager, die hier Rentierfelle und traditionellen Schnickschnack verkaufen. Den Weg hoch war ich so langsam, dass mich Schwaerme von Fliegen umsurrt haben, bergab muss ich aufpassen, dass ich sie bei meinem Tempo nicht verschlucke - also nicht mehr mit offenem Mund die Wasserfaelle angaffen. Das einzige, was die Abfahrtsfreuden truebt, sind cattle guards (weiss gar nicht, wie die auf Deutsch heissen, Gruben quer ueber die Strasse, die mit einem Gitter aus runden Stangen abgedeckt sind. Autos koennen rueber, Huftiere, wie Schafe und Rinder, nicht).

Ich hab die Wahl zwischen der Hauptverkehrsstrasse mit vielen, viel zu langen, Tunneln und 100km bis Bergen oder der scenic Touristenstrasse mit wesentlich mehr Hoehenmetern und 155km. Normalerweise nicht einmal ne echte Entscheidung, aber diesmal zoeger ich dennoch ne Sekunde, da ich uebermorgen meine Faehre in Bergen erwischen moechte. Ich mach mich auf den langen Weg und wieder eine Steigung hoch - die Abfahrt hat die krassesten Serpentinen ueberhaupt: die Strasse scheint sich auf sich selbst zurueckzuwinden, als haette jemand Spaghetti den Berg heruntergekippt. Lager schlag ich an einer riesig imposanten Felswand am See auf. Gutes Wetter wird bis zum letzten ausgenutzt, Bilanz: 8:12 Stunden Sattelzeit; 144km; 1694 Hoehenmeter. Gute Nacht! ;-)

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2004-07-07

Norway

Geweckt werde ich weil jemand neben meinem Zelt Eichhoernchen fuettert. Ich warte noch ein paar Schauer ab und mach mich dann auf den Weg zur Passhoehe. Es geht gegen eiskalt schneidenden Wind, so dass ich mich freue, endlich die Serpentinen zu erreichen und den Wind nicht immer direkt von vorne abzubekommen. Die Landschaft ist fantastisch, wild, felsig, mit kleinen Schmelzwasserseen und Schneeflecken eingestreut. Auf der Passhoehe von 1434 Metern schneit es, wie sich das fuer einen richtigen Pass gehoert. 5 Minuten spaeter hoert es wieder auf, wie sich das fuer gutes Wetter gehoert ;-)

Ich treffe nen niederlaendischen Biker auf dem Weg zum Nordkapp. Er ist durch Wales, Irland und Schottland gefahren hierher und kann mir einiges ueber meine zukuenftige Route erzaehlen. Dann unterhalte ich mich mit ner ganzen Gang Motorradfahrer aus Deutschland, die irgendwelche alten Schaetzchen fahren mit Sargartigen Holzkisten als Beiwagen. An der Berghuette treffe ich zwei nette, auf den Bus wartende Maedels aus Oslo, die zum Hiken hier sind. Ein daenisches Paerchen leiht mir ihr Fernglas und ich beobachte ne Truppe Leute beim Eisklettern am Gletscher - das waer nochmal n Hobby fuer mich! Kurz vor der Abfahrt geniesse ich die Aussicht in ein Traum von Tal...

that does it! That is the final straw. Im never gonna be happy again without mountains. Goodbye Muenster. Die Abfahrt laesst sich vielversprechend an, mit nem Schild 8% Gefaelle fuer 10km und zwei bergauf verreckten Autos. Aber das ist erst die Aufwaermrunde, anschliessend kuendigt ein Schild 10% fuer ein paar km an und danach noch einmal 8% ueber 3km zum gemuetlichen Ausrollen. Was ein Spass!!! Wenn du in deinem groessten Gang widerstandslos ins Leere trittst, dir 40km/h wie Stillstand vorkommen, der Wind selbst durch 3 Schichten Trikot plus GoreTex Jacke noch durchpfeift und du dir bei mehr als 80km/h ueberlegst, ob die Bodenwelle voraus dich umbringen wird, ist das Leben in Ordnung. Yehaa!

Ich hab das Glueck noch eben schnell einkaufen zu koennen, waehrend schon die Ladentueren verschlossen werden. In Tourist Info erfahre ich, dass meine Faehre heute eh nicht mehr faehrt, also kann ich die letzten km gemuetlich angehen lassen und die Aussicht auf den smaragdgruenen See geniessen... Der "See" ist bereits der Fjord, aber die Farbe stimmt trotzdem ;-) Ich fahre die Suedseite, eine Strecke, die teilweise so schmal ist, dass die Autos nicht einmal an mir vorbeikommen. Es gibt 2 unbeleuchtete Tunnelkilometer und ein Schild, dass die "long history of a short road" erzaehlt: die Strasse ist 30km lang und befand sich in Abschnitten von 1916 bis 1994 im Bau. Auf der anderen Seite des Fjords regnet es und ich kann ein fantastisches Lichtspiel durch die Wolken und auf dem Wasser beobachten.

Mein Tacho faellt mir hin und verliert alle seine Einstellungen. Bis auf die Gesamthoehenmeter und Fahrtzeit kann ich das meiste aus dem Kopf rekonstruieren. Das Bike hat in seiner Laufbahn (Rollbahn? Fahrbahn?) mittlerweile ~16000km und ~65000hm erlebt. Auf dieser Tour bin ich jetzt ziemlich genau 10.000km gefahren - das wird erstmal mit diesem polnischen Honigschnapps zelebriert. Da ich wegen der Faehre meine Tagesetappe so frueh beenden musste bin ich noch nicht ganz ausgelastet und laufe noch nen Berg hoch. Vorbei an Norwegens aeltester (Holz-)Kirche, deren Urspruenge vor die Christianisierung Norwegens, ins 9. Jahrhundert, zurueckreichen. Bis auf das Rauschen des Windes ist es absolut still. Ein alter Bauer schichtet weit unter mir mit der Forke Heu auf. Die dunklen Wolken sind von der Sonne golden gerahmt. Es gibt einen einzigen, kleinen blauen Fleck Himmel, in den sich die maechtige Krone eines freistehenden Baumes erhebt - auf der anderen Seite des Fjordes, hunderte Meter ueber dem Wasser auf der Klippe. Wenn das kein Bild fuer die Goetter ist weiss ich es auch nicht. Wie um die Idylle perfekt zu machen steh ich auf dem Weg runter einem Reh gegenueber. Das hat scheinbar vergessen, dass es ein Fluchttier ist und ich ein carnivore, und so zueck ich in aller Ruhe meine Kamera, mach ein Foto ohne Blitz, ein Foto mit Blitz, checke die Resultate auf dem Display, und erst dann, in aller Ruhe, trottet es davon.

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2004-07-06

Norway

Gestartet wird mit 50m Sicht, matschigem Schneeregen und 1C. Die letzten knapp 700hm bis zum Gipfel sind ein lauer Spaziergang, die nur dadurch anstrengend und gefaehrlich werden, dass ich mich der guided Tour angeschlossen habe. Nie wieder! So wie es ist bin ich ins Seil eingebunden zwischen plaerrenden Kindern und einer Gruppe altersschwacher Japaner, von denen einer sogar nen Gipsfuss hat. Aetzendes stop and go ist die Folge (mehr stop als go).

Der Gletscher mag zwar den Namen "gemeiner Gletscher" tragen, und neben dem Preisschild fuer die Guides ein drohender Zeitungsausschnitt von einem in einer Spalte verunglueckten Tourist haengen, aber den ausgetretenen Highway durch den Schnee haette ich auch allein gefunden, danke.

Naja, wenigstens lerne ich so drei nette Frankfurter kennen und als es endlich ohne Seil wieder auf die Felsen geht lassen Pascal und ich froehlich palavernd die halbe Meute Omis und Kinder zurueck. Vielleicht sollten die Gruppen an einem Seil doch etwas homogener zusammengestellt werden. Pascal ist uebrigens in Jogginghose und Turnschuhen unterwegs waehrend alle anderen die volle Outdorr Kampfausruestung tragen.

Der Gipfel (2469m) ist unspektakulaer, aber wenigstens klart es auf dem Weg nach unten auf und die Aussicht wird gut. Die Killerstrasse gestern darf ich heute bergab fahren - und Hoelle! ist das ein Ritt. Sobald ich die Bremsen loslasse bin ich ueber 70km/h schnell und beschleunige immer noch. Mir fliegen die Traenen aus den Augen bis ich kaum mehr sehen kann und auf dem Wellblech vor den ungesicherten Serpentinen ist Bremsen jedesmal ein Abenteuer. Noch schneller waere moeglich gewesen - aber ein kleines bisschen haenge ich dann doch noch an meinem Leben. Auch so sind es auf 380m Hoehe am Fuss der Strasse diesmal meine Bremsen, die stinken.

Kaum unten fahre ich schon wieder eine Steigung - diesmal zur hoechsten Passstrasse in Nordeuropa, die zum tiefsten und laengsten Fjord Europas fuehrt (die moegen hier die Superlative auf ihren Hinweistafeln). Der Wind, der eben noch die Wolken vertrieben hat, ist jetzt gegen mich. Das ist mir diesmal aber nur recht, da ich eh sehr bald auf einem wunderschoenen Rastplatz mein Lager aufschlage, und er mir hilft, meine klatschnasse Ausruestung zu trocknen. Ich sitze und esse als neben mir noch zwei ihr Lager aufschlagen. Polnische Brueder, der eine lebt in Norwegen, der andere ist mit Fahrrad und Kamera(s - er hat ein ganzes Sortiment dabei und macht Bilder fuer Diavortraege) zu Besuch. Nettes Palaver und viele Fotos: rower.orbit.pl

Danach kommt noch ein junges niederlaendisches Paerchen hinzu, sie cruisen mit dem Auto durch Norwegen auf der Suche nach irgendeinem Bueffel artigen Tier, das wohl nur an zwei Stellen in ganz Europa zu finden ist. Ich will gerade Schlafen gehen, da bekomme ich von den Bruedern noch einen polnischen Honig Likoer geschenkt - gegen die kalte Nacht. Dankeschoen! ;-)

Und shit! Ich hab schon wieder vergessen Fotos von ihnen zu machen. Passiert mir immer. Ich bin immer so in irgendwelche Gespraeche vertieft, dass ich voellig vergesse Bilder zu machen - selbst wenn ich gerade geknipst werde. So zeigen meine Urlaubsfotos denn nur Berge und Landschaft. Naja, egal nehme ich an - vergessen werde ich all die Menschen eh nie, die mich auf dieser Reise mit ihrer Freundlichkeit so reich beschenkt haben.

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2004-07-05

Norway

Warnung: Wenn schon die Norweger einen Berg Rauberg nennen, Fahrzeuge von mehr als 6m Laenge verbieten und sogar auf einer 1:1.500.000 Touristenkarte Serpentinen angedeutet sind, geht einiges. Das muss eine der anstrengendsten Aktionen meines Lebens gewesen sein. Auf 1000m Hoehe (Start heute auf ~300) erwischt mich der erste Platzregen und verwandelt die bukelig sandige Schotterpiste in Schmierseife. Mein Tacho zeigt Steigungen zwischen 12 und 16 Prozent. Wiegetritt ist unmoeglich, sobald ich meinen Arsch aus dem Sattel hebe dreht das Hinterrad durch. In Kurven mit bis zu 21 Prozent Steigung ist Fahren schlichtweg unmoeglich und ich muss das erste Mal auf Tour bergauf schieben. Aber: am Ende des Tages habe ich von 28km nur 1 geschoben.

Natuerlich habe ich wieder mehrere Kg Nahrung an Bord fuer zwei Tage. Ab 1500m Hoehe regnet es durchgehend bei 7C. Es kommen keine Autos mehr hoch, nur noch Leute mit Skiern und Snowboards auf dem Dach nach unten. Auf 1660m sind es noch 5C und es hagelt. Ab 1800m klebt Eis an meinen nackten Knien und es schneit bei 3C. Das Blut rauscht mir in den Ohren, die Lungen sind kurz vorm Explodieren und ich muss immer wieder stehenbleiben um meinen Puls unter 300 zu halten. Ich stehe 100m vor der Berghuette und kann das Gebaeude in der grauen Bruehe nicht sehen. Dort drinnen sitze ich schliesslich gemuetlich und waerme auf. Von draussen kommen klatschnasse Leute in Gamaschen und Steigeisen rein mit 60m Seilen ueber der Schulter. Mir wurde gesagt ich koenne alleine zum Gipfel gehen, gleichzeitig aber dringend davon abgeraten. Bei gutem Wetter haette ich die Warnung ignoriert, aber bei 100m Sicht schliesse ich mich vielleicht doch besser ner guided Tour an.

Grrr! gerade als ich mein Zelt aufgebaut und eingerichtet habe kommt jemand und sagt mir ich duerfe hier nicht campen und solle verschwinden. Dabei hatte ich sowohl von der Moutstelle auf 1000m Hoehe als auch von der Rezeption hier oben das OK bekommen. Scheinbar habe ich irgendeinen Mindestabstand zur Strasse nicht eingehalten, der 150m betragen muss. Gar nicht so einfach, wenn man in klaren Momenten gerade mal 100m weit sehen kann - durch die Wolke hatte ich bisher nicht einmal gewusst, dass ich bereits bis auf 200m nahe an den Gletscher herangekommen war - und der ist normalerweise wirklich nicht zu uebersehen. Naja, wie auch immer, meine Politik in einer solchen Situation besagt klaglos zusammenzupacken und nen neuen Platz zu suchen. Immerhin bin ich der Gast.

Gesagt, getan - bei weiterhin 3C und Schneeregen. Beim zweiten Aufbau in dem riesigen Geroellfeld ist mein Zelt dann auch mal wieder voellig durchnaesst, meine Finger hoelzern erfroren und ich stehe viel unguenstiger als vorher: wenn heute Nacht der Wind so richtig loslegt gehts 1000m runter. Ich versuche meinen Nutella Ersatzstoff zu schmieren - aber das Zeug ist bretthart. "Bei Zimmertemperatur lagern" haha! Wie soll ich das denn machen?! Immerhin hab ich keine Probleme mit den "keep refrigerated" Sachen ;-)

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2004-07-04

Norway

Die Fotos fuer die Zeitung (www.smp.no) sind mir schon fast peinlich, da das Wetter wunderbar ist und ich in wildem Chaos alle meine Sachen zum Trocknen um mein Zelt drapiert habe und selbst um 1200Uhr gerade am Fruehstuecken bin. Nach dem Interview sitz ich n paar Stuendchen am Rechner und fahr danach die letzten 600hm Serpentinen und passiere nen liegengebliebenen Mercedes, dessen Insassen gerade Schnee ins Kuehlwasser stopfen.

Oben steh ich vor einer Entscheidung: a) eine Serie von fuer Radfahrer verbotene Tunnel zum Gletscher und nachher ein paar Faehren. b) die alte Passstrasse ueber die Tunnel zum Gletscher oder c) ein bis zweihundert Kilometer Umweg bis fast auf Meeresniveau herunter und anschliessend eine als sehenswert gekennzeichnete Passstrasse zum hoechsten Gipfel NordEuropas mit 2500muM. Eigentlich ist das nicht einmal eine echte Wahl - ich mach mich auf Richtung Gipfel. Auf 1030m Hoehe machen die Leute Schneeballschlachten und Eisschollen schwimmen im Wasser. Meine Abfahrt ist diesmal keine Serpentinenstrecke, sondern zieht sich ewig hin (gut so! profitier ich laenger).

Es geht entlang der Otta durchs Fjell, ein Fluss, der zur Schneeschmelze der feuchte Traum eines jeden Whitewater Rafters sein muss. Ich hatte in meinem Leben zweimal das Vergnuegen (wenn man von improvisierten "ich spring in den Fluss und guck wann ich der Stroemung entkomme" absieht) - beide Male in Canada. Kicking Horse River und (Name vergessen). Beide Male war es schon etwas spaet im Jahr und wir mussten mutwillig ueber Bord gehen um es etwas interessanter zu gestalten ;-)

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2004-07-03

Norway

Nach 40km Vorfreude ist es soweit: ich passiere das Schild "10% Trollstigen". Schon die Schlucht hierhin hatte uebelste Steigung und die Felswaende rueckten bedrohlich immer naeher. Es gibt keine Leitplanken, nur Felsbrocken, die wie Grabsteine jeden Meter mahnend am Strassenrand stehen. Die beiden Hauptwasserfaelle sind gigantisch, das Wasser Gletschermaessig tuerkisblau. Kurz bevor ich die Serpentinen erreiche passieren mich mehrere Fahrzeuge mit fuerchterlich stinkenden Bremsen. Mein Fahrrad ist extraschwer, da Samstag nachmittag ist und ich Futter fuer zwei Tage an Bord habe. Da hilft nur eins: volle Droehnung endless repeat "The Prodigy": "Diesel Power" auf die Ohrmuschel und ab dafuer.

Ich fahr das Ding mit zwei Fotostops und nem 8km/h Schnitt in einer Tour durch, ohne meinen Rettungsring (das groesste Ritzel) auflegen zu muessen. Meine fuenf Minuten Tour de France Ruhm habe ich immer, wenn ich Busse passiere, dessen Insassen alle klatschen und Daumen nach oben zeigen. Busfahrer haben hier Spass: in den engen Switchbacks setzen sie regelmaessig auf und haben schon tiefe Furchen in den Asphalt gegraben. Oben angekommen gibts am Aussichtspunkt (es regnet natuerlich bereits den ganzen Tag und ist wolkig) noch einmal viel Schulterklopfen und Anerkennung - I love it ;-)

BTW, der Pass ist auf dem Cover von "Accelerated C++" in meiner Book reviews section zu sehen. Jetzt wo ich die Hoehen von C++ erklommen habe koenntest du vielleicht mal mit den Chefs reden und die Tour als Fortbildungsmassnahme bezahlen lassen Timm? Bitte? ;-) Die Gegend ist und bleibt ein Traum - und es leben Leute in diesem Paradies. Die ganze Abfahrt vom Pass herunter begleitet mich das Rauschen und Tosen eines Flusses. It features some mean looking class 5+ rapids - but put me in a neo and a lifejacket, give me a helmet and throw me right in! Looks like some serious fun.

Eine kurze Faehrueberfahrt bestaetigt mir, dass ich mich wieder auf Meeresniveau befinde - dann kraxel ich direkt wieder Serpentinen hoch, diesmal auf dem Weg zu Norwegens groesstem Gletscher. ... Von wegen! Erst geht es noch einmal ganz bis auf Fjord level herunter - und wie! Ein Schild 10% Gefaelle fuer die naechsten 7km verpspricht ne Menge Spass. Es wird noch schoener: von allen Seiten stuerzen Wasserfaelle die fast senkrechten, hunderte Meter hohen, Felswaende hinunter in den Fjord. Dessen Wasser zeigt das perfekte Spiegelbild eines Regenbogens im Himmel. A dream come true. Entgegenkommende Autos schleichen mit 20-30km/h vorbei und die Motoren klingen klaeglich. Ein VW Passat ist gestorben und steht mit offener Motorhaube im Weg. Ich bring mich auch fast um, als ich mit knapp 60km/h auf eine, nur durch eine 30cm hohe Betonkante gesicherte, Kehre zurausche. Die Maguras packen derbe zu, nur mein Hinterrad macht auf nasser Fahrbahn den Abgang. Wer immer die Magura Hydraulikbremsen entwickelt hat verdient den Nobelpreis!

Unten angekommen verweile ich nicht lange, sondern mache mich direkt an den naechsten Pass. Dabei fahr ich an der Glasfront des Edelhotels im Ort vorbei. Die Leute beim Essen kennen mich schon vom Trollstigen und rasten voellig aus. Sie springen von den Tischen auf und stehen mit beiden Armen winkend und jolend an der Scheibe. Danke, danke! Wenn ihr wuesstet, wieviel Kraft mir sowas gibt ;-)

Als ich nach etlichen Hoehenmetern ein Schild passiere, das weitere 14km Serpentinen ankuendigt, und sehe wie sich meine Strasse am Steilhang in die dicke Wolkendecke schraubt, beende ich den Tag auf einem Campingplatz. Der Besitzer arbeitet fuer die Zeitung und will morgen Fotos und ein Interview mit mir machen. Auf dem Platz hab ich auch ganz schnell Fans, als ich bei 10C und Regen nur in Boxershorts und barfus zu den Duschen stiefel - aber tja, was soll ich machen? Es regnet und meine letzten trockenen Sachen sind gold wert. Auf dem grossen Trampolin des Platzes hol ich mir dann den komplett Workout. This day beats just about everything: 6:55:19 Stunden Fahrtzeit; 111,28km; 2045 (!!!!) hm; avg 16km/h; maximale Steigung/Gefaelle 15%/15%. Yehaa!

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2004-07-02

Norway

Um 1600Uhr stirbt die Hoffnung, dass der Regen irgendwann aufhoert und ich starte nass. Den ganzen Tag regnet es ohne Unterlass bis in die Nacht hinein und das Thermometer zeigt als Hoechsttemperatur 13C - ich kann euch versichern nass bis auf die Knochen und gegen den Wind fuehlt sich das weit kaelter an. Es gibt eine Faehre und ca 10 Tunnelkilometer. Ein 6km Tunnel, den ich diesmal sogar fahren darf, bringt mich fast um. Ein Auto kommt mir darin entgegen waehrend von hinten ein Tieflader mit schwerem Kettenbagger und Warnlicht naht. Der denkt nicht daran zu bremsen und zerreibt mich fast an der Felswand - ich haette nur meinen kleinen Finger ausstrecken muessen und der waere ex gewesen. Zudem ist der Verkehr diesmal extrem und ich schiebe wirklich Effekte wegen der Abgase: die Glieder werden mir schwer, ich werde traege und die Augen fallen mir beim Fahren zu.

Ich sag doch die haben zuviel Energie: am Ende des Fjords wird eine Aluminium Fabrik aus nem Fluss versorgt. Ich glaube die Gegend ist eine der bisher schoensten, soviel ich durch die Wolkenschleier erahnen kann. Es gibt wieder so eine Art Daemmerung nachts - schade. Im Gegensatz zu vielen anderen hatte ich keinerlei Schlafprobleme mit der dauernden Helligkeit und fand es nur praktisch den Tag beliebig einteilen und bis 0200 lesen zu koennen. Jeder, der mehrere Tage hintereinander je mehr als 100km faehrt und danach nicht schlafen kann muss glaub ich sowieso nen Arzt aufsuchen. Obwohl ich zugeben muss, dass dieser Scherz an meinem Zelt zu ruetteln mein Sicherheitsempfinden extrem gestoert hat. Ich weiss nicht, ob man das nachvollziehen kann, aber mein Zelt ist heilig. Man glaubt gar nicht, wie sehr darin der Eindruck eines warmen, sicheren Heims entsteht. Der Ueberfall des Bauern in Litauen, die naechtliche Visite der Grenzpolizei in Rumaenien, die Schafherde, die Schweine, die Rinder, die Reiter, die Fledermaeuse und Voegel, die raschelnden Nagetiere um mich herum - alle haben meine Schutzhuelle respektiert und ich fuehlte mich sicher. Wahrscheinlich koennte draussen ein Baer herumschleichen und ich waere nicht beunruhigt. Der kleine Scherz hingegen war kein Angriff auf mich, sondern auf die Unantastbarkeit meiner Behausung und stellt die Unverweundbarkeit derselbigen in Frage. Baeh!

Beim Absammeln der Nacktschnecken vom Zelt (nach Regen immer besonders schlimm, hatte sogar welche in den Schuhen) war ich wohl mal nicht besonders gruendlich und habe beim Einpacken eine zerquetscht - mein Gott ist das eine zaehe Masse. Jeder, der schon einmal barfus in so'n Vieh getreten ist weiss was ich meine. Ich frage mich, ob schonmal jemand versucht hat das Zeug haltbar zu machen, I'd call it: "slug slime super glue". Hoch ueber dem Meer auf meiner Schlafklippe lieg ich und hab Durst und gegenueber, auf der anderen Seite des Fjords, donnert der Wasserfall in die Tiefe - so eine Gemeinheit!

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2004-07-01

Norway

Um 0400 Uhr morgens erschreck ich mich zu Tode und sitz senkrecht im Bett. Jemand hat sich angeschlichen und mein Zelt einmal gruendlich durchgeschuettelt. Bis ich gerafft habe was los ist hoere ich nur noch ein mit quitschenden Reifen fluechtendes Auto. Danach weckt mich jedes Kraechzen einer Kraehe und jeder Schrei einer Moewe - besonders erholsam ist das nicht.

Nach anfaenglichem Gegenwind fahre ich mit Rueckenwind bei schoenstem Sonnenschein. Zunaechst auf der E39, die mir empfohlen wurde, weil sie durch eine Schlucht mit vielen Freeclimbern und Basejumpern fuehrt. Als Europastrasse ist der Verkehr aber unertraeglich und so fluechte ich auf leider nur unwesentlich weniger befahrene Nebenstrassen. Ich wurde zugestaubt ohne Ende, da wenige Meter neben der alten Strasse die Trasse fuer eine neue aus dem Fels gesprengt und gebohrt wird. Will they ever learn?! The way to fight traffic problems is NOT to extend the road network but to reduce the amount of cars. If you build a new road there'll be traffic to fill it. For each and every new road. Guaranteed! Just take a look at England.

Ich ueberfahre fast ne Katze, die sich ueberlegt hat, es sei ne coole Idee tot auf dem Seitenstreifen zu liegen. Da ist sie mit dutzenden Voegeln in guter Gesellschaft. Death to cars! Kill em all! Seriously, I've had enough. I'm just about to go postal, deal out some random justice on behalf of all the innocent victims, human or not. So next time you turn the key in the ignition, think of me, I might have wired a charge of C4 explosives to it.

BuschnicK's quality of food index for cyclists: (energy squared) / ( cost * weight * size) unit: (kcal * kcal) / ( NOK * kg * m * m * m) the higher it is, the better. Bananas, noodles and chocolate score quite high.

Hoehoe, ich bin schon wieder in einer Gegend, die behauptet die sauberste Luft und das sauberste Wasser Europas zu haben. Ich fahre den Trollheimsvegen durch das Trollheimen (ja, es gibt hier viele mit Kettensaegen geschnitzte Trolle) mountains nature reserve - wunderschoen. Auf der Bank vor einem Supermarkt esse ich und unterhalte mich nett mit einem norwegischen Radfahrerpaerchen, die in zwei Wochen ihren Radurlaub in Suedfrankreich beginnen. Dann fahr ich an nem Haufen Gedaerme, Knochensplitter und Fell im Strassengraben vorbei - groesser als ne Katze, aber kein Hund. Stinkt widerlich, aber wenigstens die Fliegen freut es. Anschlissend darf ich zugucken, wie der Regen eines kurzen Sommergewitters oelig glaenzende Schlieren von der Strasse zu den gelblichen Guelleschaumkronen ins "sauberste Wasser Europas" spuelt. Ich koennt kotzen. Der Quasselstrippenangler letztens meinte er kaeme seit 21 Jahren an denselben Fluss und jedesmal gaebe es weniger Fische. It's amazing what mother nature (the only god there is, as far as I'm concerned) let's us get away with. Does the world really need another martyrer wake up? Then fucking burn me alive. But think. Do more. Yes, I'm a freak by, of, for, from and in nature ;-) But enough of that.

Hab ich ein timing: nach 133km erreiche ich die Faehre auf die Sekunde genau zum Ablegen und nachdem ich kurze Zeit spaeter mein Lager aufgeschlagen und gegessen habe regnet es. Mein Kocher ist trotz mehrfacher intensiver Reinigung nur noch zum Aufwaermen von 5min Gerichten geeignet - grrr!

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