2004-05-31

Finland

Finnland spielt noch einmal so richtig den Entsafter und gibt alles: eisiger Nordwind und knackige Steigungen bis zu 12%. Ich halte mit Bananen, Sonnenblumenkernen und nem dutzend Broetchen dagegen und so sind trotz allem 90km drin. Diese radel ich groesstenteils auf Strassen weg, die ich mir mit hoechstens 5 Autos pro Stunde teile. Der Nordwind begleitet mich seit Helsinki. Laut Statistik muesste er eigentlich von Sueden wehen. Ich haett ja nix gesagt und mich nur langsam fuer paranoid gehalten was den Wind angeht, aber die Schweizer hatten es auch bemerkt... Ansonsten ist das Wetter aber erste Sahne, sonnig mit 15C. Ein hardcore Opa kam mir in kurzer Hose und muscle-shirt entgegengejoggt. Das Land ersaeuft fast in Wasser und doch musste ich das erste Mal in meinem Leben fuer Leitungswasser zahlen. Bekloppt. In Rumaenien habens die Leute mit der Hand aus dem Boden gepumpt, mit Eselskarren auf die Felder gefahren und dennoch kam nie jemand auf die Idee mir Geld dafuer abzuknoepfen.

Die Traktoren hier fahren mit 8 Reifen, Zwillingsraeder vorne und hinten, um nicht um Schlamm zu versacken. Wahre Monster, nehmen fast die gesamte Strassenbreite ein. Gerade ein bisschen die Karte studiert. Die russische Seite hier oben fasziniert mich - mein Gott, und ich empfinde Finnland schon als menschenleer...

Next Entry

2004-05-30

Finland

Um Mitternacht ist es immer noch hell und "mein" See so glatt, dass er seine Umgebung perfekt spiegelt. Dass ich nicht auf dem Kopf stehe kann ich nur an der Schwerkraft festmachen. Kurz darauf setzt der Regen ein und hoert bis mittags nicht mehr auf. Die Sonne sehe ich heute erst um 1800Uhr, wo auch die Tageshoechsttemperatur von 11C erreicht wird. Suomi, Sumpfland, wie die Finnen ihre Heimat nennen, macht seinem Namen alle Ehre. Wiesen, die anderswo perfekt zum campen geeignet waeren, lassen sich nur noch in Gummistiefeln betreten. Tipp: Sohlen, die wegen der Klickies Loecher haben, sind absolut untauglich fuer so etwas! Die Strassen gleichen immer mehr Daemmen, und Ackerland ist alle 3-5m von Entwaesserungsgraeben durchzogen. Landwirt moechte man hier glaub ich eh nicht sein. Der Boden ist sumpfig, steinig (nicht selten ist der Acker uebersaet mit faust- bis kopfgrossen Steinen) und das Klima... anderswo bin ich vor Wochen schon an hochstehenden Pflanzen vorbeigeradelt, hier ist meist noch nicht einmal gesaet. Heute habe ich einen See ganz fuer mich alleine ;-)

Gehen Ameisen eigentlich auch schlafen bzw verkriechen sich vor der Kaelte? Bevor ich letztens mein Zelt aufgebaut habe, habe ich etwas untersucht, das sehr nach Ameisenhaufen aussah - aber kein Krabbeltier weit und breit. Sobald es tagsueber etwas waermer wurde outete sich das Huegelchen eindeutig als Kolonie.

Hab heute gelernt was fuer Sensibelchen Kettenschaltungen doch sind. Beim Versuch auf das grosse Kettenblatt zu wechseln ist zweimal die Kette abgeflogen, waehrend das kleinste Kettenblatt manchmal gar nicht mehr zu erreichen war. Klar, kein Problem, bisschen die Stellschrauben des Umwerfers justieren.... 20 Minuten spaeter hab ich endlich wieder 27Gaenge. Haette nicht gedacht, dass so minimale Aenderungen an den Schraeubchen so grosse Auswirkungen haben.

Next Entry

2004-05-29

Finland

Scheiss drauf! Ich knips die Seen doch wieder. Waer aber auch einfach ein Verbrechen es nicht zu tun. Hab ich halt spaeter 400 Wasserfotos. Ich muss aufpassen, dass mir die Superlative nicht ausgehen, also sagen wirs mal so: Es ist ganz nett hier. Wald und Wasser. Und eine ohrenbetaeubende Stille. Es ist fantastisch! Fuer mich wie Balsam fuer die Seele. Ich bin wieder erst sehr spaet losgekommen, da ich immer noch leicht kraenkele und es regnete. Kaum gestartet fahr ich in nen Hagelschauer und anschliessenden Regen. Aber alles halb so wild, weil es danach wunderschoene Wolkenformationen zu bestaunen gab und bis zum Abend trocken bleibt. Wann ich aufbreche ist mittlerweile eh fast egal, weil es nur noch ca 2 Stunden daemmrig wird pro Nacht - also kann man Radeln wann man will. Camp an nem See (wo sonst?). Nach wie vor keinerlei Mueckenprobleme, da das Thermometer selbst tagsueber kaum jemals 15C erreicht.

Next Entry

2004-05-28

Finland

Ich fuehl mich ziemlich schlecht, deshalb starte ich erst um 1300Uhr und da schon mit schweren Beinen und dickem Kopf. Meine Eingebung von gestern erweist sich als goldrichtig und Abkuerzung durch Orte und ueber Strassen, die auf meiner Karte nicht existieren. Finnland ist fantastisch. Dicht bewaldet, selbst hier im "dicht" besiedelten Sueden viel Platz, und so wenig Verkehr, dass die Nebenstrassen fast als Radwege durchgehen koennten. Und es gibt tatsaechlich mindestens 1 Milliarde Seen. Anfangs halte ich noch und mache Fotos, aber bald gehoeren sie einfach dazu. Die Haeuschen sind versteckt zwischen Baeumen gebaut und stoeren das Landschaftsbild angenehm wenig. Die Finnen selbst wissen auch um die Schoenheit ihres Landes und so hatr jedes bisher gesichtete Wohnmobil ein finnisches Kennzeichen. Ich sehe nen Waschbaeren. Er sitzt am Strassenrand, befingert (bepfotet?) irgendetwas und haut ab, als ich anhalte.

Next Entry

2004-05-27

Finland

Ich begegne den beiden Schweizer Tourenbikern Martin und Otto. Die beiden sind vor ein paar Tagen in Helsinki mit Ziel Nordkapp gestartet, sie planen 2 Monate fuer den Trip hoch un zurueck. Otto ist 76 Jahre alt. Respekt! Gerade als wir noch stehen und palavern haelt ein Rennradheizer neben uns. Es ist der letztjaehrige Altherrenweltmeister im 500m Indoor Sprint. Martin und Otto begegne ich spaeter noch einmal, so dass heute ein paar Stuendchen mit angenehmen Gequatsche in Deutsch vergangen sind. Zusammen Radlen werden wir nicht, dafuer sind unsere Reisestile und vor allem Geschwindigkeiten zu unterschiedlich, aber ich hoffe die beiden auf meinem Weg zurueck noch einmal zu treffen - Gute Reise!

Und ich dachte Finnland sei flach! 600hm an einem Tag bin ich glaub ich das letzte Mal in den Karpaten gefahren. Es geht zwar nie besonders hoch hinauf, dafuer aber dauernd auf und ab. Abends folge ich spontan einer Eingebung und fahre eine Schotterpiste. 20km spaeter hab ich keine Ahnung mehr, wo ich bin, aber es ist schoen hier, also alles in Butter ;-)

Next Entry

2004-05-26

Finland

Ich hol mein Bike von der Reparatur ab. Hab jetzt ne neue Felge, Speichen, Umlenkrollen, Ritzelpaket, Kette und Bremskloetze. Motiviert trete ich vor dem Laden in die Pedale und werde von einem schrecklich krachenden Geraeusch gestoppt. Die Kette rutscht auf den vorderen Kettenblaettern durch - offenbar habe ich die schon voellig angespitzt und runtergefahren. Also wieder rein und die auch noch ersetzen. Alles zusammen fuer ca 300Euro - ouch! Der Mitarbeiter ist Mountainbike Downhiller (so einer, der sich jedes Jahr aufs neue ne Sammlung interessanter Knochenbrueche zulegt) und so quatsch ich mich noch n paar Stunden fest. Wie schoen in einem Land zu reisen, wo scheinbar wirklich jeder Englisch spricht! Sein eigenes Bike steht auch im Laden. Edelstes Geraet, hat das Dreifache meines eigenen gekostet. Damit haette ich direkt Hemmungen so richtig brutal Pisten runterzurumpeln - but then again - maybe not ;-)

Nachdem ich erstmal aus dem Radwegwirrwar um Helsinki herausgefunden habe zisch ich n Weilchen Richtung Norden und bau mein Lager in nem Waeldchen auf ner Halbinsel im See auf. Die Radwege sind uebrigens von bester Qualitaet und werden rege genutzt. Sie sind auch gut beschildert - dass ich dennoch nur nach Himmelsrichtung durchfinden konnte liegt an meiner Karte mit ihrem brutalen 1:2.500.000 Massstab. Da fehlen halt all die kleinen ausgeschilderten Oertchen...

Next Entry

2004-05-25

Finland

Ganzen Tag durch die Stadt getiegert und Besorgungen und Sightseeing gemacht - die Euros schmelzen nur so dahin. Skandinavien ist offenbar wirklich uebelst teuer. Abends dann zu keiner grossen Aktion mehr in der Lage, also setz ich mich einfach ins Kino. Angenehm in einem Land zu sein, wo die meisten Filme im englischen O-Ton laufen - mit finnischen und schwedischen Untertiteln (es ist alles zweisprachig hier). Dumm nur, dass ich mir ausgerechnet Kill Bill vol2 ausgesucht habe, wo sie ziwschendrin auch Japanisch quatschen - da helfen mir dann weder O-Ton noch Untertitel ;-/

Next Entry

2004-05-24

Finland

Die letzten 50km nach Tallinnn sind schnell weggeballert und so sitze ich mittags in meiner Faehre nach Helsinki, der Romantika, und warte auf das Ablegen. Auf in das Land, das mehr Saunen als Autos und im Norden weniger als 1 Einwohner auf 5km2 haben soll. Ausserdem 2/3 bewaldete Flaeche, mehr als 190.000 Seen und wahrscheinlich die Haelfte der Weltmueckenpopulation - ich freu mich drauf! Schon auf der Faehre gibt es einen grossen Saunabereich, den werde ich allerdings links, aeh, Verzeihung - Backbord, liegen lassen und stattdessen beweisen, dass es ein Verlustgeschaeft ist, nem Radfahrer ein All-You-Can-Eat Buffet anzubieten ;-) (...) Schlaraffenland!!! Wir sind noch nicht einmal aus dem Hafenbecken heraus und ich bei meinem dritten Hauptgang. Allein die Menge Lachs, die ich verschlinge, aeh, geniesse, ist die Investition von 18Euro dreimal wert. Dazu Salate, eingelegte Fruechte, exotisches Seafood, Kuchen und Nachtische, ... So ein Ding muesste es oefter geben. Tschuldigung an alle, die nach mir kommen sollte das Buffet jetzt 100Euro kosten...

Helsinki ist was Staedte angeht mal ganz nett - sogar viele Radfahrerer und kreative HPVs gibt es, richtig streberhafte mit Helm und allem. Ich bekomme das letzte freie Zimmer der ganzen Stadt im "guenstigen" Preissegment: 55Euro pro Nacht - autsch! Dusche und WC aufm Gang, dafuer kostenlos Internet. Stellt sich heraus, dass der Besitzer begeisterter Radsportfan und Coach seiner beiden Soehne ist, die er zu Rennen durch die angrenzenden Laender faehrt. So hab ich nicht nur die Adressen der Bikelaeden hier, sondern auch gleich die Namen der Besitzer. Radsport in Finnland ist wegen des harten Klimas wohl eher ne Randgruppensportart wie sich mein Hotelier beschwert. Es gibt nur zwei Jahreszeiten: Herbstwinter-Winter-Fruehlingswinter und Sommer. Mein Reisefuehrer sagt ueber den suedlichsten Punkt Finnlands (sprich Helsinki), dass das Thermometer im Sommer auch schonmal 25Grad erreichen koennte...

Next Entry

2004-05-23

Estonia

Nette Unterhaltung vor nem Shop - ich bin jetzt der persoenliche Held von jemandem ;-) Bei nem kurzen Kalorien-Nachschieb-Halt stoppt ein ziemlich wild aussehender Typ auf Mountainbike neben mir. Knast Tattooes auf Knoecheln und Unterarmen, trotzt jungen Alters viele fehlende Zaehne und ungebaendigte, zottelige Maehne. Er ist sehr nett, aber in Ermangelung einer gemeinsamen Sprache ist die Unterhaltung recht unergiebig. Also fordert er mich auf ein Rennen ins naechste Dorf heraus. Here we go again - *grins*. Hagel und Gegenwind machen ihm scheinbar mehr zu schaffen als mir, also bleibt er auf halber Strecke auf der Strecke ;-) Generell ist die Landschaft flach, der Asphalt gut und das Wetter laedt nicht zum Verweilen ein - also Kilometerfressen. 140 sind drin, und so campe ich 40km vor Tallinnn und hoffe Morgen nach Helsinki zu kommen, wo ich mir erstmal ne Pause goennen werde. Und ja, ich habe das Wetter erwaehnt, aber es bestimmt mein Leben momentan derart, da bleibt das nicht aus. Die Sprache hier ist wirklich witzig, man nehme Deutsch, verdopple einige Vokale, vorzugsweise Umlaute, und fertig. So geht man zur Manikuure, in die Polikliinik, ins Gumnaasium und faehrt mit dem Ekspressbuss zur Politsei.

Next Entry

2004-05-22

Estonia

Ich bin immer noch nicht ueber diese Zahl hinweg: 440Mrd! 440.000 x 6 richtige im Lotto. Was um alles in der Welt ist einem 1.000.000 Dollar pro Minute wert?! Und einen Teil davon fuer Atomwaffen. Wie war das mit den "weapons of mass destruction" noch gleich? Die USA als der groesste Bully im Sandkasten duerfen alles. "Dr. Strangelove, or how I learned to stop worrying and love the bomb".

Ich schlafe immer noch mit geoeffnetem Zelt und heute Nacht wache ich auf, weil ich irgendwie kalte Ohren habe. Ein Blick aufs Thermometer bestaetigt, dass es gerade einmal 1C warm ist im Zelt - ups. Hatte mich schon gewundert, warum trotz Sumpflandschaften die Anzahl Muecken wieder abgenommen hatte. I like it ;-)

Es ist sowieso das erste Mal fuer mich, dass ich zumindest in kleinem Stil unterschiedliche Klimazonen bewusst und aktiv erlebe. Klar hatte man vorher so vage Vorstellungen im Kopf von wegen hier ist es kalt, da ist es warm... aber irgendwie lag das alles in unerreichbarer Ferne und war nur eine abstrakte Idee. Bin mal gespannt wies noerdlich des Polarkreises wird... Die Massstaebe und Dimensionen der Welt haben sich fuer mich verschoben. Aber statt, dass mir jetzt alles groesser vorkommt, erscheint es mir kleiner. Um die meisten Laender per Muskelkraft zu durchqueren braucht es gerade ein paar Tage. Oft scheinen die Hauptstaedte die einzigen wichtigen Orte zu sein, und schaut man sich Produkte an, werden die entweder dort oder im Ausland hergestellt. Klimazonen sind ploetzlich nicht mehr unendlich weit voneinander entfernt, sondern nur ein paar Tagesreisen. Sprachen und Waehrungen aendern sich woechentlich. Vielleicht kommt die Entdeckung der Langsamkeit ja noch durch die wirklich grossen Laender oder schlechte Strassenverhaeltnisse, aber momentan entsteht bei mir zunehmend ein "die Welt ist wirklich nur ein Dorf" Eindruck.

Zufaellig gerate ich in ein traditionelles Dorffest und komme in den Genuss von live Volksmusik und Originaltrachten. An einer Quelle tanke ich Wasser und unterhalte mich nett mit nem Familienvater, der zum selben Zwecke da ist. Im "Borderland" nach Estland sind noch einmal 20 harte Wellblechpistenkilometer zu ueberwinden (die Felge haelt noch so gerade zusammen...), dann erreich ich die Grenze. Diese wird auf estlaendischer Seite primaer durch einen grossen, freilaufenden Schaeferhund bewacht, der seinen menschlichen Kollegen heranbellt. "Welcome to Estonia!". Ja, Dankeschoen! Lohnt sich allemal, nach den ersten 30km im Land kann ich jetzt schon sagen, dass dies der schoenste der drei baltischen Staaten ist. Sogar einzelne Worte der Sprache kann man entziffern und es gibt Fahrradwegweiser aber keine Fahrradwege - perfekt. Ach ja, in Lettland gabs Schilder zu Abfahrtsskipisten?! Es gibt doch im ganzen Baltikum keine Erhebung, die dafuer taugen wuerde?! Ich mache ne halbe Stunde Rast neben der Schotterpiste. In der Zeit kommen ganze zwei Fahrzeuge an mir vorbei, ausserdem zwei Rehe und keine 100m entfernt stehen Stoerche lauernd im Gras.

Next Entry

2004-05-21

Latvia

Was erzaehlt Radio Deutsche Welle?! US $440.000.000.000 "Verteidigungshaushalt"?! 440 Milliarden?! Erstens muesste es im Falle der USA wohl Offensiv und Invasionshaushalt heissen, die "verteidigen" doch bestenfalls "amerikanische Interessen im Ausland" und zweitens: Leidet da jemand an paranoider Hirnerweichung?! Fuer die Kohle kann er sich doch die ganzen Laender kaufen, vor denen er so Angst hat!

Wer haette gedacht, dass sogar als "Hauptstrassen" auf meiner Karte eingezeichnete Wege aus losem Schotter bestehen? Keine 70km von der Hauptstadt Riga entfernt. Ueber 20km ist die Piste so schlimm, dass ich bis zur Felge im Sand versinke, jede zweite Pedalumdrehung umsonst ist, und ich oft genug schlingernd ploetzlich quer auf der Strasse stehe. Da ist viel Schieben angesagt.... Aber es lohnt sich, die Landschaft ist wunderbar un die Doerfchen idyllisch, gemuetlich. Es gibt fast keinen Verkehr, bloss wenn, dann staubt der mich von oben bis unten ein.

Was immer die hier in ihr Leitungswasser tun riecht und schmeckt absolut abscheulich! Hier hab ich noch gar keine einheimische Waehrung, in Litauen hatte ich am Ende zu viel. Ich orientiere mich immer an dem in meinem 2003er Bikebuch Europa angegebenem Kurs und den Benzinpreisen. Alle meine Kosten aufaddiert und nem Schnitt von 100km taeglich gehe ich meist guenstiger als das 5l Auto durch die Welt. In Litauen fuehrte das dann dazu, dass ich erst soviel geshoppt habe, wie ich gerade eben noch mitnehmen konnte, im Internet Cafe getroedelt habe (die hatten extra fuer mich laenger geoeffnet. Obwohl paradox: der Daddelladen hatte bis 1800Uhr geoeffnet, die Geschaefte bis 2100) und anschliessend in nem Restaurant "einmal alles" geordert habe. So ist das wenn man cash hat, mit dem Plastikgeld ist das einfacher. Ist uebrigens ne gute Idee, davon mehrere Alternativen mitzufuehren. Meine EC Karte (Maestro) funktioniert zwar an Automaten immer, aber in Geschaeften nicht, selbst wenns dransteht. Da war dann die Visa schon haeufiger die Rettung. Tipp: Mastercard gibts gratis und ohne jaehrliche Gebuehr als Kundenkarte bei Karstadt.

Next Entry

2004-05-20

Latvia

Happy birthday Richy little brother man! Sorry, dass ich nicht da bin :-( - aber ich denk mir schon noch was fieses aus fuer wenn ihr dann kommt ;-)

Die letzten Stunden in Litauen sind der absolute Horrortrip. Ich verfahre mich auf Sand- und Schotterpisten, die Leute sehen mir einfach zu, wie ich in Sackgassen irre, drehen sich weg, wenn ich sie nach dem Weg frage und niemand reagiert auf mein Bitten nach Wasser. So werden denn aus eigentlich 5km gleich 40 (eine "Strasse" ist auf meiner Karte auf der falschen Seite des Flusses eingezeichnet) und ich bin am Rande der Verzweiflung, als ich endlich den Grenzuebergang erreiche.

Der Unterschied zwischen den beiden Laendern Litauen und Lettland praesentiert sich mir wie Tag und Nacht. Ich hab ein nettes Plaeuschchen mit dem Grenzer. Kinder winken mir zu und lachen mich an und Baeume gibt es auch wieder mehr... An Strassenbelaegen hatte ich heute alles: loser Schotter, staubige Sandpiste, Schlammrutsche, frisch gepatchter Asphalt (mit Kies) und feste Sandpiste. Auf letzterer verbringe ich gluecklicherweise die meiste Zeit und maeander mich durch wunderschoene, Menschen- und Autoleere Landschaften.

Next Entry

2004-05-19

Lithuania

Meine Strasse ist nicht einmal auf der Karte verzeichnet, fuehrt aber zum Ziel. Mittlerweile geniesse ich eine wunderbare Strecke, die sich einsam durch den Wald windet, den ich sonst nur ueber ewige Ackerflaechen am Horizont erahnen konnte. Die einzigen Geraeusche sind das Zwitschern der Voegel, das Rauschen des (Ruecken-)Windes in den Baumwipfeln und das Surren meiner Reifen auf dem Asphalt.

Leider musste ich feststellen, dass der Schlag in meinem Hinterrad von einer gerissenen Felge herruehrt. Einmal um das halbe Laufrad herum ziehen sich jeweils an den Nippeln der kurzen Speichen feine Haarrisse. Naja, bis Helsinki soll wohl noch, und dort kann ich mich dann dem Spass widmen zu versuchen eine neue, gute 28Zoll Felge in einer Welt voller 26" Mountainbikes aufzutreiben. Das Bike ist mittlerweile fast 1 Jahr alt und in der Zeit bin ich damit ca 11.000km gefahren, fast alle mit Gepaeck und etwa 1/3 auf rauhen Pisten. Mein altes Kinderbike hab ich auf die Weise auch geschrottet. Ich bin mit Gepaeck an einem Tag 216km gefahren. An sich nicht soo besonders, aber nach den ersten 50km hatte ich 4 gerissene Speichen im Hinterrad und musste das Ding schraeg einspannen, damit es nicht dauernd anschlug. _Das_ war mal ne anstrengende Tour ;-)

Next Entry

2004-05-18

Lithuania

Ziemlich gewalttaetige Traeume gehabt heute Nacht - der Kerl hat Glueck gehabt, dass ich mich nicht wirklich in die Ecke gedraengt gesehen habe. Wie singen die Cranberries? "It's the animal instinct in me" - ich haette den in kleine Stueckchen verarbeitet und liegenlassen, friedvoller Mensch der ich bin hin oder her. Meinen Glauben an "die Welt ist dein Freund" hat das Ereignis nicht erschuettert, aber es zeigt mal wieder, dass Alkohol ein guter Katalysator fuer das Schlechte im Menschen ist.

Ich will Staedten noch einmal eine Chance geben und rolle deshalb nach Kaunas ein. Boeser Fehler! Bereits nach der "Uferpromenade" (6spurig plus 2 Parkstreifen) habe ich die Schnauze gestrichen voll und suche schleunigst das Weite. Ich glaube der einzige, der darunter mehr zu leiden hatte als ich, war ein Rollstuhlfahrer, der auf derselben Kamikaze-Spur wie ich versuchte diesen Verkehrshorror zu navigieren. Zudem habe ich nie zuvor so viele haessliche Menschen auf einem Haufen gesehen. Ich meine nicht im Frauen hinterherpfeifenden Sinne, sondern Leute jeden Geschlechts und Alters. Sie haben verkniffene, verbiesterte Gesichter und niemand haelt meinem Blick stand oder gruesst zurueck. Ich verirre mich aus der Stadt heraus und fahre 5km in eine Sackgasse. Gut, denk ich mir, folge ich eben doch den Schildern - und lande in der Radfahrerhoelle: Die Hauptverkehrsader des Landes, die Autobahn A1, und das bei Regen. Autobahnen darf man hier zwar beradeln, aber bei vergleichbarer Ausbaustufe, Geschwindigkeiten und Verkehr wie in Deutschland ist das weiss Gott kein Vergnuegen. Eine auf meiner Karte als "Piste" eingezeichnete Route finde ich nicht, dafuer aber eine zum selben Ort ausgeschilderte Asphaltstrecke - zumindest auf den ersten paar km, dann ist auch diese feinste Wellblechschotterpiste, die mir den Arsch weichklopft.

Vor einem Supermarkt (der von einem Security Menschen bewacht wird, der fuer jeden Kunden einzeln die Eingangstuer auf und abschliesst) treffe ich nen kleinen Jungen. Der begrabscht alles und will Geld von mir. Nachdem das Thema aus der Welt ist, stellt er sich als richtig pfiffiges Kerlchen heraus, der mir auf Anhieb auf meiner Karte zeigen kann aus welchem Oertchen (im tiefsten Russland) er stammt. Das erinnert mich an eine alte Radtour in Deutschland, wo ich einmal eine aeltere Dame um Orientierung auf meiner Karte gebeten hatte. Sie studierte das Teil auch eifrig und rief dann nach einer Weile zwei Freundinnen zu Hilfe. Das endete wie in einem schlechten Sketch damit, dass alle drei gleichzeitig in drei verschiedene Himmelsrichtungen deuteten.

In Rumaenien haben buklige alte Muetterchen jedes Fleckchen Gras mit blosen Haenden oder Sicheln gemaeht und in Saecken ueber km nach Hause getragen - hier kommt es in die Bio Tonne. Schon komisch, wie die Resourcen so verteilt sind auf dieser Welt...

Mein Bike zeigt die ersten Ermuedungserscheinungen. Die Kette ist ungefaehr doppelt so lang, wie sie sein sollte und die Bremskloetze fast nicht mehr existent. Letztere koennte ich eigentlich ruckzuck wechseln, aber mein Hinterrad hat sich nen Seitenschlag eingefangen und wuerde schleifen. So hoffe ich, dass alles noch bis Helsinki zusammenhaelt und ich dort eine Generalueberholung machen (lassen) kann. Ich habe heute das erste mal von dem von meinem Reisefuehrer fuer das ganze Baltikum versprochenen Suedwestwinden profitiert - yeah!

Next Entry

2004-05-17

Lithuania

Die Schaefchenwolken from outer space scheinen ihre Invasionsplaene zunaechst auf Polen zu beschraenken - zumindest ist mit Grenzuebergang nach Littauen schlagartig blauer Himmel so weit das Auge reicht. Und das scheint ueber die flache Weidelandschaft bis in die Unendlichkeit zu sein. Waehrend zwei Stunden Fahrt ins Landesinnere kommen mir nicht weniger als 47 leere Autotransport LKW entgegen, alle Richtung Sueden, polnische Grenze. Ich ringe meine Kilometer wieder muehsam dem Wind ab, und als ich in einem kleinen Waldstueckchen mein Lager aufbaue bin ich dementsprechend fertig.

Dummerweise habe ich genau den Heimweg eines betrunkenen Bauern gewaehlt. Dieser textet mich eine geschlagene halbe Stunde zu. Deutsch, Englisch, Franzoesisch kann er nicht, Zeichensprache will er offenbar nicht und den angebotenen Block und Stift lehnt er auch ab. Mein Littauisch laesst stark zu wuenschen uebrig. Irgendwann wird es mir zu doof, es daemmert, die Muecken kommen und ich hab Hunger. Also setz ich mich hin und fang an zu kochen. Er guckt sich das ne Weile interessiert an, trinkt weiter aus seinem Flachmann und bietet mir sogar auch etwas an. Ploetzlich tritt er mir das fast kochende Wasser ueber die nackten Fuesse und mir danach mit seinem schweren Arbeitsstiefel voll ins Gesicht. Trotz meiner Ueberraschung und der aufkommenden Schmerzen gelingt es mir sowohl den noch brennenden Kocher, der jetzt fast unter meinem Zelt liegt, zu loeschen, als auch weiteren Schlaegen auszuweichen. Ich stecke mir noch unauffaellig das Kuechenmesser in die Tasche und stehe ihm endlich gegenueber. Einen Faustschlag krieg ich noch ins Gesicht, aber in dieser Situation Mann gegen Mann bin ich ihm in so ziemlich jeder Hinsicht ueberlegen, nuechtern vs besoffen gleich doppelt. Ich mache jedoch keinerlei offensive Geste oder Handlung, sondern weiche ihm nur aus und pariere seine Schlaege. Das wird ihm zu bloed und so schmeisst er meine Wasserflasche nach mir, wohl in dem Glauben, sie sei aus Glas. Ich lege mein eigenes Zelt flach, mit den Wertgegenstaenden und meiner aus dem Gesicht getretenen Brille darin, in der Hoffnung, dass der Kram dadurch als moegliches Ziel nicht ins Auge faellt. Ich gestikuliere beschwichtigend auf ihn ein und versuche, ihn vom Fahrrad wegzulocken. Es gelingt mir, ihm klarzumachen, dass ich ihm Geld geben will, damit er verschwindet. Scheinbar war das von vorneherein sein Ziel und so laesst er mich machen. Ich lasse alle bis auf einen Schein aus meiner Patte verschwinden und gebe ihm diesen. Er kontrolliert ihn kurz, will mir die Hand geben und verschwindet tatsaechlich. Ich trete den geordneten Rueckzug an und baue mein Lager ein paar km weiter erneut auf. Adrenalin gehoert hoffentlich zu den verbotenen Dopingmitteln - auf jeden Fall haette ich nicht geglaubt nach dem Tag noch so schnell fahren zu koennen...

So, und jetzt bin ich nur gespannt, wie dieser bloede Dreckfresser aus der Waesche guckt, wenn er versucht etwas mit dem Geld zu kaufen - ich habe ihm einen meiner drei Gluecksbringer 5 DM (DM !!) Scheine angedreht. Und der ist auch noch markiert, der war mal als Geschenk aufgerollt und hat eine Perforation quer rueber, wo die Nadel durchgestochen war. Aetsch! Du Arschloch! Jetzt lieg ich im Zelt, hab endlich gegessen, und ausser brennender Fuesse und einer leicht geschwollenen Wange habe ich keinen Schaden genommen.

PS: Fuer alle, die mich ausrauben wollen. Mein Barvermoegen belaeuft sich auf 50Euro, einheimische Waehrung habe ich noch keine. Travellers cheques oder Kreditkarten bringen wohl nicht so viel...

Next Entry

2004-05-16

Poland

Ein netter Herr bemitleidet mich (auf Deutsch!) wegen des schlechten Wetters - dabei freue ich mich darueber heute nur ein einziges mal nass geworden zu sein - so ist halt alles relativ. Die Landschaft ist wunderschoen, die Strassen gesaeumt von dichtem Wald, nur unterbrochen durch die haeufiger werdenden Seen. Spaeter wird es sanft huegelig mit Weideland. Ich schau den Bauern zu, wie sie mit Schemel und Kanne zu ihren Kuehen marschieren. Waehrend einer Rast lieg ich an einem See auf dem Ruecken und lass mich vom Himmel hypnotisieren. Tausende kleine Schaefchenwolken umschwirren wie Abfangjaeger grosse, graue Mutterschiffe, die bereits mit der Invasion der Erde begonnen haben. Independence day gratis in unschlagbarem Imax3D Kino.

Gluecklicherweise kreuzt meine Route heute im Zickzack hin und her - Richtung Norden ist jeder Kilometer ein Kampf gegen die unsichtbare Dampframme. Entsprechend bin ich am Ende des Tages das erste mal auf der gesamten Tour (Krankheitstage ausgenommen) so fertig, dass gar nichts mehr geht. Muss aber auch nicht, denn ich habe einen perfekten Zeltplatz am See gefunden und kann zu Mark Knopfler im Radio den Sonnenuntergang geniessen.

Next Entry

2004-05-15

Poland

Als ich mich Schlafen lege ist es eine wunderbar sternenklare und windstille Nacht. Um 0400Uhr morgens werde ich dann vom Sturm geweckt, der Zweige auf mein Zelt prasseln laesst. Beim Radeln spaeter haut mir ein herabgewehter Ast das Ohr blutig. Ich denk noch, das kann ja heiter werden. Aber zunaechst laedt mich ein 70jaehriger auf einen Kaffee in sein Gartenhaeuschen ein. Wenn man diese Murkssprache nur verstehen koennte! Aber auch so erfahre ich von ihm, dass die Russen keinen Sinn fuer Architektur, die falsche Religion und sowieso von tuten und blasen keine Ahnung haben. Europa und Deutschland aber seien toll (Umarmung Richtung Westen und wegwerfende Handbewegeung Richtung Osten). Ausserdem solle ich doch statt meines Kopftuches (buff) lieber ne baseball Kappe tragen, Kopftuecher seien fuer Frauen!

Die Einladung zum Essen und zur Uebernachtung schlage ich aus und fahre weiter. Der einsetzende Regen ist von der Art, der mich erst nach einer Stunde durchnaesst - dafuer haelt er vorsoglich 5. Nach 2 Monaten Tour kann ich die trockenen Tage an einer "Maenner vom Saegewerk" Hand abzaehlen und heute macht es mich echt aggressiv. Wer immer "I'm only happy when it rains" und "Always take the wheather with you" geschrieben hat moege bitte bei mir vorstellig werden und ich zerbroesel ihm alle Knochen einzeln. Aber erst nachdem er vor den Augen seiner Kinder die eigenen Eingeweide gefressen hat - im Regen!!!

Naja, wie auch immer, momentan sitz ich erstmal im Internet Cafe und versuche wieder warm zu werden. Ok, sorry fuer den rant eben, aber das musste mal sein. Die Pause im Internet Cafe tat gut und danach klappt auch alles wie am Schnuerchen. Ich finde noch einen geoeffneten Laden, Wasser und einen wunderbaren Zeltplatz auf weichem Moos unter Baeumen. Aha spielt im Radio "I'm cryin in the rain" und ich bin in trockenen Klamotten und troestendem Kerzenlicht mit der Welt wieder im Reinen.

Next Entry

2004-05-14

Poland

Ein 15jaehriger ueberholt mich auf seinem Bike und macht eine triumphierende Gewinnergeste in meine Richtung - DAS haette er nicht tun duerfen! Ich habe mir noch kein Maenner oder Memmen Spielchen entgehen lassen und diese Herausforderung nehme ich auch gerne an. Das Rennen endet bereits nach knappen 5km mit dem Herausforderer hechelnd und mit hochrotem Kopf am Strassenrand. Da kann ich mir ein hoehnisches Grinsen doch nicht verkneifen und nehme gut gelaunt die zweiten 50km des Tages in Angriff ;-)

Ich befinde mich mittlerweile auf Nebenstrassen und je naeher ich den Masuren komme, desto schoener wird auch die Landschaft. Ansonsten ist Polen als Reiseland echt langweilig, da die Unterschiede zur Heimat dann doch relativ gering sind. Die Strassen sind gut, die Autos auch, es gibt Geschaefte und Fachgeschaefte genuegend und der Baustil ist soo anders auch nicht. Die Leute sind nett (Waaahnsinn! Ich bin 1 einziges mal angehupt worden in der ganzen Zeit hier!), es wird immer mit gebuehrendem Abstand ueberholt und sogar LKW bremsen klaglos fuer mich. Nicht einmal die Gulli Deckel fehlen ;-) Wobei ich das in den anderen Laendern auch nicht verstanden habe - wer und vor allem wofuer klaut die Dinger?! So open manholes sind die absolute Todesfalle fuer Radfahrer.

Next Entry

2004-05-13

Poland

Morgens waren die Holzfaeller da, und so startet der Tag damit, das Bike ueber frisch gefaellte Staemme zu wuchten. Ich bin weiterhin der Mann, der schneller faehrt als sein Schatten - ich habe naemlich keinen. Der Wind gibt mir deutlich zu verstehen, was er von meiner Fahrtrichtung Norden haelt und versucht mich umzudrehen. Ich schaffe dennoch 120km, was zum grossen Teil daran liegt, dass ich durch die "gruene Lunge Polens" fahre und die Strassen ueber lange Strecken beidseitig von Wald gesaeumt, und damit windgeschuetzt, sind. Gerade als der Regen einsetzt sizte ich bereits gemuetlich im Zelt und koche. Ansonsten wenig Interessantes. Ich hab nen Fuchs gesehen - verteilt auf ca 5m^2 Strasse. Ich hab die freigelegte Wirbelsaeule eines Hundes gesehen, wie Voegel die Ueberreste einer Katze zerhacken und dutzende von platten Igelnadelkissen. Mittlerweile habe ich genug roadkills fotografiert und es kotzt mich nur noch an. I think I've got enough to prove my point. Das die km heute anstrengender waren als sonst merke ich an der Menge Nahrung, die ich verdruecke. Hell, if I'd devoured that much food with my old lifestyle I'd weigh 500kg and be a Sumo Wrestler by now. Und dabei hiess ich doch zu Hause schon Fressbacke ;-)

Next Entry

2004-05-12

Poland

Anstrengender, aber voellig oeder Tag. Erst in der zweiten Tageshaelfte habe ich einen Schatten, vorher ist alles grau-in-grau. Die ganze Zeit heult mit der Wind nervtoetend in den Ohren und macht das Fahren anstrengender, als es sein sollte. Durch den Wald sammel ich beim Pedallieren dutzende von Raupen ein, die von den Baeumen baumeln. Ein Junge mit brutal deformierten Skelett faehrt auf nem Dreirad am Strassenrand. Camp im Wald. Thats it. Over and out.

Next Entry

2004-05-11

Poland

Kaum ein Auge zugetan heute Nacht. Echt verrueckt, da verbringt man den Grossteil seines Lebens in geschlossenen Raeumen und ploetzlich kann ich darin gar nicht mehr vernuenftig schlafen. Hab letztens mal ueberlegt - in meinem ganzen Leben habe ich bisher mehr als ein 3/4 Jahr in Zelten oder im Freien gepennt. Immerhin.

Die ans Hotel angeschlossene Bar, in der ich mein Fruehstueck bekomme, ist scheinbar gleichzeitig die Bahnhofsmission. Zumindest torkeln da morgens um 0900Uhr ziemlich zerlumpte Gestalten drin rum und bekommen Eintopf ausgegeben. Mein Tischnachbar ist kurz davor vom Stuhl zu fallen. Irgendwann kippt er vorneueber und schnarcht weg. Kann ihn gut verstehen - aehnlich fuehl ich mich auch. Meine Waesche ist sauber, aber noch feucht. Das Hotel will fuer die nicht unerheblichen Muehen der Aktion nicht einmal das angebotene Trinkgeld annehmen - danke!

Ich geh nochmal ins Internet Cafe nebenan, bezahl fuer ne Stunde und bleibe drei. Die freundlichen Betreiber laden mich ein drinnen zu bleiben, da es draussen mal wieder in Stroemen regnet. Ich fahr n paar km, mach kurz halt um Klamotten zu wechseln und werd direkt zu Plaetzchen und Tee hereingebeten. Die 12 und 16 jaehriegen Toechter der Gastgeberein koennen ein wenig Englisch und so entsteht eine kleine Unterhaltung. Ich versuche ein bisschen Polnisch zu lernen, bekomme aber nicht einmal das Minimum "Hallo, Tschuess, bitte, danke" geregelt. Hoelle ist das ein Zungenbrecherkaudawelsch! Das wird wohl nur noch durch die ungarischen Bandwurmwoerter getoppt. Ein lustiges Missverstaendnis entsteht, als ich frage: "May I take your picture?" Dummerweise habe ich zu dem Zeitpunkt die Kamera noch nicht in der Hand, so dass die beiden Toechter losrennen um das Familienfotoalbum zu pluendern und mir Bilder zu schenken. Nein, so war das "take" nicht gemeint!

Da es Nachmittags schon wieder gewittert, und ich eh todmuede bin, camp ich schon nach 40km. Schoener Platz. Aber... SIE kommen! Die Mueckensaison hat endgueltig begonnen wie es scheint. Bin ich eigentlich ein Hypocrit, wenn ich als ueberzeugter Zivi und "keinem-Lebewesen-was-zu-leide-Tuer" bedenkenlos scharenweise dieser Viecher plattmache und der ganzen Art den Tod wuensche?

Ich werde oft gefragt ob ich Probleme mit, oder Angst vor Diebstaehlen habe. Die Antwort ist jain. Ich habe viele Geschichten anderer Radreisender und Warnungen der Einheimischen selbst bekommen. Dennoch bin ich nur vorsichtig, nicht paranoid und zunaechst einmal ist in meinen Augen jeder unschuldig/harmlos und nicht andersherum. Meine Lenkertasche mit den Wertsachen (Kamera, Pass, Geld, Tacho,...) lasse ich nie aus den Augen und habe sie immer bei mir. Das Fahrrad hingegen steht mit dem restlichen Gepaeck je nach Situation auch unbeaufsichtigt und nicht abgeschlossen herum. Ein gewisses Mass an Vertrauen muss man als Alleinreisender den Menschen einfach entgegenbringen. Zudem _will_ ich das auch. Ich komm mir bloed vor, wenn ich vor aller Augen in einem kleinen Oertchen mein Bike abschliesse und den Anwesenden damit boese Absichten unterstelle. Eher im Gegenteil haben sich oft von selbst "Aufpasser" gefunden. Also Leute, die von sich aus in meiner Abwesenheit das Bike bewacht haben. Selbst hinter besagter Obdachlosenkueche, wo das Bike die Nacht ueber stand (abgeschlossen) hab ich mir keine Sorgen gemacht. Morgens stand ne Gruppe Heimatloser daneben, haben gegessen, getrunken und sich gegenseitig frisiert. Die Welt ist gar nicht so boese wie einen alle glauben machen wollen. Ich unterscheide in meinem Verhalten auch nicht, in welchem Land ich mich gerade aufhalte. Gestohlen wurde mir bisher nichts.

Next Entry

2004-05-10

Poland

Gar nicht so leicht hier an Kohle zu kommen, wie ich dachte - erst die vierte Bank im vierten besuchten Ort hat ne ATM. Nach 68km ohne vernuenftige Nahrung ausser eines Snickers irre ich ein wenig in der Stadt (Rszeszow) herum und checke schlussendlich im Hotel Polona ein, das das guenstigste am Ort sein soll. Das Duschwasser verfaerbt sich richtig, als ich darunterstehe ;-) Danach ist lustiges Pictionary spielen angesagt, als ich versuche dem Personal klarzumachen, dass das Hotel meine Waesche waschen soll. Klappt schlussendlich, oder zumindest theoretisch, die Waschmaschine funktioniert naemlich nicht. Jetzt sitze ich im Internet Cafe, warte darauf, dass endlich ein Rechner frei wird und hoffe, dass die Waesche gerade doch durchlaeuft.

Next Entry

2004-05-09

Slovakia, Poland

Kann mir mal jemand sagen warum ich morgens um 0400Uhr aufwache mit dem Bild von Brian Adams im Kopf? Er sitzt mit hochrotem Kopf auf'm Plumpsklo und singt sein Lied: "Everything I do - I do it for you!" LOL! Obwohl ich seit Beginn der Tour sowieso die wildesten Gedankenquerschlaeger und Traeume habe. Irgendwo muessen die ganzen neuen Eindruecke wohl hin...

Meine in Rumaenien gekauften Batterien hielten genau fuer 1 Foto. Wuerd mal gerne wissen, wie lange die schon Ladenhueter waren. Normalerweise verkraftet ein Satz 250-300Bilder. Autos mit dem Kofferraum vorne sehen witzig aus, wenn zur Haelfte ein Fahrrad rausguckt. Die Dacias in Rumaenien werden hier durch Ladas abgeloest. Egal wie arm und heruntergekommen das Land oder die Gegend ist, die grossen Tankstellen sehen immer nagelneu und protzig aus. Mit den drei grossen Zivilisationsdrogen laesst sich scheinbar immer gut abzocken: Oel, Alkohol und Tabak. Go cold turkey - sprengt die Ketten! ;-)

Ich lieg wach im Zelt und warte darauf, dass der Regen aufhoert. Da starrt ploetzlich eine ganze Schar Kinder durch den Zelteingang herein. Gekicher und "Yes, yes!", "No, no!" - mehr Englisch scheint nicht drin zu sein. Und ja, ich putz mir auch die Zaehne, ja, ich trinke auch nur Wasser, ja, mein Fahrrad hat eine Klingel und ja, ich besitz auch eine Digitalkamera. So ploetzlich wie sie erschienen sind verschwinden sie auch wieder (Schule?). Stattdessen kommt Milan mit seiner kleinen Schwester Lousia. Die beiden haben frischen Kuchen fuer mich in einem Schuhkartondeckel und ein Englisch/Slowakisch Woerterbuch dabei. Die sind sowieso goldig, helfen mir beim Zeltabbau und sind an allem hoeflich distanziert interessiert. Sie traut sich gar nicht mich direkt anzusprechen sondern fluestert nur ihrem grossen Bruder zu, der dann "uebersetzt" - dabei scheint ihr Englisch sogar besser als seines. Ich fahre an dem sonntaeglichen Fussballmatch vorbei. Richtig amtlich, mit Trikots und allem Komfort. Ich schau ne Weile zu, sieht so aus, als wuerden die Schwarz/Weissen gewinnen - go Germany go! Meine Strasse wird immer kleiner, der Asphalt immer schlechter, dann das Aus an einem Wendehammer. Nicht ganz, ein Feldweg mit faustgrossen Schottersteinen fuehrt noch weiter - dazu auch noch in die richtige Richtung. Also ab dafuer denk ich mir, besser als 10km zurueck zur letzten Kreuzung ist es allemal. Der Weg wir immer steiler, immer schlechter. Die einzigen Menschen, denen ich begegne sind zwei Freaks in Tarnanzuegen, die Schiessuebungen machen. Dann tatsaechlich - Heureka! Zwei Schlagbaeume und ein Wohncontainer markieren die polnische Grenze. Nachdem ich den Beamten erstmal gefunden habe ist der Uebergang problemlos. Auf polnischer Seite ist der Weg noch schlechter, dafuer die Gegend noch schoener. Bewaldete Huegel und weit und breit keine Menschenseele. Es gibt keine Schilder, ausser Markierungen fuer Wanderer mit Entfernungsangaben in Stunden.

Gerade rechtzeitig zum einsetzenden Platzregen und Gewitter finde ich ne Biwakhuette und verkriech mich erstmal. Ich fahre 20km Umweg durch fantastisch dicht bewaldete Huegel und nen Nationalpark. Die Biwakhuette war kein Zufall - ueberall gibt es huebsch angelegte und sauber gepfelgte Plaetze fuer Wanderer und Wasserwanderer - aber auch wir Radnomaden freuen uns darueber ;-) Durch den Umweg komm ich schlussendlich auf die Hauptstrasse, die ich eigentlich meiden wollte. Doch hat sie einen gut fahrbaren Seitenstreifen und fuehrt vor allem durch die Staedte - ich fahr auf meiner letzten Handvoll Reis, brauche Geld, ne Dusche, ne Waschmaschine und ne Steckdose.

Den ganzen Tag ueber bietet der Himmel ein spektakulaeres Schauspiel mit dunklen Gewitterwolken, die golden umrandet von hinten angestrahlt sind, Regenboegen und dramatischen Blitzen. btw, wie fotografiert man so etwas (Martin?)? Meine Versuche Regenboegen, Sternenhimmel, Sonnenauf- und Untergaenge zu knipsen scheitern immer an Ueber- oder Unterbelichtung. Ich benutze ne Canon Powerhot A70 Digiknipse. Bei meiner abendlichen Lagerplatzsuche stosse ich zunaechst auf Oelfoerderanlagen mitten im Wald, bevor ich mich dann auf einer Wiese mit grandiosem Rundumblick ueber die umliegenden Dorfer und Berge niederlasse.

Next Entry

2004-05-08

Hungary, Slovakia

Seit Tagen hatte ich nen grossen Kaefer in meinem Lowrider mitreisen. Liess sich nicht fangen, und ganz ausraeumen wollte ich die Tasche auch nicht. Heute frueh konnte Charlie dann nur noch tot geborgen werden - ist wohl verhungert oder so. Rest in Peace collega! Ungarn versucht sich mit mir zu versoehnen und Landschaft und Wetter bessern sich. Richtig schoen wird es aber erst wieder in der Slowakei. Ich fahre den ganzen Tag ein Rennen gegen dunkle, schwere Gewitterwolken. Um mich herum regnet es, wie man an nassen Strassen und Wolken erkennen kann - ich bekomm aber nichts ab. Dafuer schoenste Regenboegen ueber Berg- und Huegelketten und ein Licht und Schattenspiel sondergleichen als sich die Wolken ueber bluehende Rhapsfelder jagen. Selbst auf teilweise vierspurigen Hauptstrassen bin ich oft minutenlang der einzige Verkehrsteilnehmer. Ein Fuchs kreuzt unmittelbar vor mir die Strasse. Es gibt Berge, die Leute gruessen wieder und der Baustil hat sich veraendert: in den Staedten reihenweise Plattenbauten, aber direkt drumherum schoenste, intakt bewaldete Huegel. In den Doerfern auch viel Beton und ekig gebaut mit Metalldaechern. Meine Campsuche endet, als ich am Strassenrand die drei Jungs Lukas, Jan und Jakob kennenlerne. Die haben bereits ein Lagerfeuer in Gang und einen schoenen Platz mit Pavillion am Fluss - da setz ich mich doch gerne ins gemachte Nest! Zelt aufbauen helfen sie mir auch noch ;-) Kurz darauf holt mich der Regen doch ein und es faengt mal wieder an zu giessen, aber das kann mir jetzt auch nix mehr - ich lieg gemuetlich im Trockenen. So, gute Nacht!

Next Entry

2004-05-07

Hungary, Slovakia

This is the second time I cycle through Hungary and it's just like the first: deadly boring, unfriendly, wet and with killer traffic. Um 700Uhr morgens werde ich von Feldarbeitern geweckt, die in der Obstbaumplantage, in die ich mich verkrochen habe, das Gras direkt um mein Zelt herum wegsensen. Die Strassen sind gut asphaltiert, schnurrgerade, mit viel Verkehr und es gibt rein gar nichts zu sehen, also Kilometer fressen. Die Leute gruessen nicht, nicht einmal als Erwiderung auf meinen Gruss. Alle starren mir hoechstens entgeistert hinterher oder stumpfsinnig vor sich hin und ignorieren mich voellig. Dies im krassen Kontrast zu Rumaenien, wo man manchmal nicht einmal erkennen konnte von wo einem gerade ein "Salut!" hinterhergerufen wurde und jedes freundliche Kopfnicken oder Winken meinerseits mit einem erfreuten Laecheln und Gruss quittiert wurde. Kurzfristig wird die Landschaft mal halbwegs schoen, weil man 2-3 Baeume hat stehenlassen - dafuer setzt jetzt der Regen und Gegenwind ein und begleitet mich bis zum Abend. An einer Tanke lachen sich die Leute halb tot als sie mich im Regen radeln sehen und auf meine Bitte nach Wasser verweisen sie mich auf den grauen Himmel - haha! Mein Camp will ich zunaechst in nem Waldstueckchen aufschlagen, das ist aber voellig mueckenverseucht. Die sind zwar erstaunlich impotent hier und Stiche tun mir fast gar nichts (oder das liegt an meiner Dreckkruste?), aber ganze Schwaerme sind dann doch irgendwie laestig. Also wieder raus ins Freie, dort sind Wind und Regen ausnahmsweise mal meine Freunde gegen die Viecher. An Tagen wie diesem schick ich beim Fahren meinen Geist auf Reisen und wenn er wieder ankommt bin ich ueberrascht wieviel auf dem Tacho steht ;-). Funktioniert wirklich! Ach ja, kleiner Tip am Rande: Radwege und Fahrradverbote in Ungarn schlicht ignorieren! Die Dinger verfolgen einzig und allein den Zweck Fahrradfahrer umzubringen.

Next Entry

2004-05-06

Romania

Ich fahre nen Umweg, da dort noch ein Pass zu haben sein soll. Dieser entpuppt sich mit 600 und n paar kaputten Hoehenmetern eher als Paesschen mit einer wunderschoenen Serpentinenauffahrt durch den Wald. Durch ein Gewitter und Killer Wolkenbruch werde ich allerdings sowohl um die Aussicht von oben wie auch um die Abfahrt beschissen. Die Strasse verwandelt sich in einen Sturzbach aus brauner Bruehe. Nur an den unterschiedlichen Stromschnellen laesst sich noch erahnen, ob unter dem Wasser gerade Asphalt, Kopfsteinpflaster oder ein Schlagloch ist. Zudem spuelt das Wasser den ganzen Kies der Boeschung auf die Strasse. Bei diesen Bedingungen sind hohe Geschwindigkeiten nicht drin. Unten angekommen werde ich von nem Haufen Schaulustiger auf einer Bruecke herangewunken. Die bewundern gerade wie sich ihr beschauliches Dorfbaechlein innerhalb von Minuten in einen reissenden Strom verwandelt hat.

Anhalter gibt's hier ueberall, aber nen LKW mit 6 (!) Leuten auf der Fahrerbank nebeneinander hatte ich vorher dennoch nicht gesehen. Nachdem es ein paar Stunden trocken mit Rueckenwind war (lustiges Spiel: ich bin mit 35km/h hinter nem Bus hergerauscht und hab den an jedem Stop ueberholt - die Maedels auf der letzten Bank hatten ihren Spass und mich angefeuert ;-) ) gibt es ein deja vu vom Vormittag: wieder schoene Serpentinenauffahrt, wieder Gewitter mit Wolkenbruch. Dann Gegensturm, dass ich sogar bei Gefaelle noch treten muss, um nicht stehenzubleiben. Wind dreht, kommt jetzt von schraeg vorne, was die Situation nur verschlimmert, da mich Boeen jetzt regelmaessig von der Strasse fegen. Ich hab fast die Schnauze voll, da ueberholt mich ein LKW mit grosszuegig geschaetzten 2cm Abstand und haut mich wieder von der Strasse. Jetzt erst recht! Denk ich mir und baller ueber mein Tagesziel hinaus ueber die ungarische Grenze. Statt des geplanten, gemuetlichen Einkaufs hau ich mein Restgeld rumaenischer Waehrung in ner Tanke auf den Kopf. Vor einer Woche hatte ich 25Euro in Lei, an der Tanke waren noch 13 uebrig, die jetzt groesstenteils in Form von Schokoriegeln mitfahren ;-) Meine Telefonkarte wollte ich eigentlich mit nem Anruf nach Deutschland leeren, aber scheinbar erlauben die Telefonzellen keine Ferngespraeche. Ach ja, ich waer noch fast Zeuge eines ungewohnlichen Unfalls geworden: zwei augenscheinlich ziemlich betrunkene Bauern lassen ihr Pferdegespann in vollem Gallop die Dorfstrasse hochballern. Aus einer Querstrasse kommt ein Hund geschossen. Dieser schafft es so gerade noch auf dem Bauch schlitternd zum Stillstand und nicht unter die Hufe zu kommen.

Next Entry

2004-05-05

Romania

Grmpf! Nix Expedition heute. Ich lieg seit zwei Stunden im Zelt und warte, dass der Regen aufhoert. Dabei hatte ich es extra so aufgebaut, dass ich morgens von der Sonne geweckt werde. Jetzt bin ich seit 8Uhr wach und die Sonne hat sich immer noch nicht blicken lassen. Dafuer klopft Martin an meine Tuer. Martin ist seit ein paar Wochen mit dem bike unterwegs, gestartet ist er in Berlin mit Ziel Australien. Wir unterhalten uns (endlich mal wieder Muttersprache!) und tauschen Adressen aus. Martin hat sich um seine benoetigten Visa von Deutschland aus gekuemmert, hat da also alles in trockenen Tuechern und ist sicher vor Pannen wie der meinen. Dafuer ist er bereits jetzt in Zeitstress und muss einen genauen Zeitplan einhalten um den Visums Terminen nachzukommen. Da weiss ich echt nicht, was besser ist... Er faehrt mit der merkwuerdigsten Beladung, die ich gesehen habe: die beiden grossen Ortliebs vorne, eine (!) kleine hinten und nen Packsack quer rueber. Wie um die erwaehnten Floating Qualtitaeten des Flusses zu unterstreichen zischt ne Gruppe Canoe Touristen an meinem Lagerplatz vorbei. Das Wetter bleibt gewoehungsbeduerftig (read: beschissen!) und so verzichte ich auf ne Trekking Tour und begnuege mich damit den Pass zu fahren. Mit 1428m Hoehe nicht sonderlich beeindruckend. Es gewittert und regnet abwechselnd, meine Regenklamotten, die sonst ne Stunde oder so trockenhalten sind bei den Guessen innerhalb von 10 Minuten durch. Der Wind dreht auch jede Sekunde. Ein gutes hat das ganze aber: so Blitze sehen ueber den Bergketten noch um einiges beeindruckender aus als sonst. Der Stil der Haeuser hat sich erneut veraendert. Hier wird viel mit Holz gebaut, es gibt viele Rohbauten. Vor den Grundstuecken stehen freistehende, ueberdachte, reich mit Schnitzereien verzierte Eingangstore. Oft 4m hoch, sieht komisch aus, da der sonstige Zaun gerade huefthoch ist. Es gibt auch das erste mal eine erkennbare touristische Infrastruktur mit "frei Zimmer" und "Zimmer freie".

Next Entry

2004-05-04

Romania

Heute morgen war es noch so kalt und bedeckt, dass ich mich sorgte wie ich meine regennassen Klamotten vom Vortag trocknen soll. Mittlerweile lieg ich bei 33C unter nem Felsen im Schatten und mach Rast am Fluss. Der ist uebrigens feinstes (body-)floating Gewaesser Jungs! ;-) Keine 300m ueber mir haelt sich im Schatten der Baeume der letzte Schnee. Scheint das absolute Traumgebiet zum Schlittenfahren zu sein. Steile Grashaenge und keine (naja fast keine) Klippen - nicht wahr Richy?! ;-)

Meine gute Tat fuer heute war zwei Bauern mit meinem Flickzeug beim Reparieren ihres Treckerreifens zu helfen. Irgendwie lustig - haette nie gedacht, dass das dafuer mal zum Einsatz kommen wuerde. Weiterfahrt... holy shit! Ich bin in Klein Canada gelandet! Wonderful! Die Strasse windet sich entlang des Flusses durch menschenleere Taeler immer hoeher. Rechts und links steile, dunkel bewaldete Haenge. Der einzige traffic wird durch den occasional logging truck gestellt. Auf 1200m Hoehe (sagt zumindest mein Tacho, ich hab den seit Deutschland nicht mehr geeicht und meine Karte gibt derart Informationen nicht her) passiere ich die ersten Schneewehen - immer noch locker in kurzer Hose und t-shirt bei 19C. Und dann... doch fuehre mich nicht in Versuchung... verdammt nochmal, auf einen dieser Gipfel will ich rauf! Eine kleine nervige Stimme noergelt rum von wegen kein Proviant, kein Rucksack, keine Steigeisen, keine Karte, niemand weiss, wo du bist, kein sicherer Platz fuer das Fahrrad, niemals alleine, blabla... Erstmal geb ich nach, ist eh schon zu spaet am Tag. Aber der Fluss, dem ich folge, ist noch sehr gross, und irgendwo muss das viele Wasser ja herkommen...

Versuche mir den Schnurrbart mit der Taschenmesserschere zu stutzen. Allerdings hab ich nur meinen Rueckspiegel am Bike zur Verfuegung und das ist ein Zerrspiegel. Was soll's - betoeren will ich hier eh niemanden ;-) Eigentlich wollte ich mir die Haare nach dem Kahlscheren zu Beginn der Tour ja gar nicht mehr schneiden, aber zumindest Oberlippe muss sein, das stoert sonst beim Essen. Menschen muessten im Prinzip sowieso wieder n Fell haben- gut gegen Sonnenbrand und gegen Kaelte. Oder wenigstens gruene Photosynthese Haut. Ich meine, think about it. Aus Wasser, Kohlenstoff und Sonne mach Energie und Sauerstoff - damit waer ich ja schon fast n Perpetuum Mobile aufm bike. Also Gentechniker an die Front! Und wenn ihr schon dabei seid haett ich gerne noch ein paar Kiemen.

Next Entry

2004-05-03

Romania

Die Temperaturen klettern kaum je ueber -30C, wo ich sonst einen Atemzug tue brauche ich jetzt derer drei und Wasser braucht statt 10 ploetzlich 30min zum Kochen: Ich bin im Gebirge. Naja fast. Mein Tacho gibt mir als hoechste erreichte Hoehe 852m an. Um mich herum gibt es Gipfel mit Schneeresten oben drauf, aber keine Strassen dorthin. Kaelter geworden ist es dennoch und am Abend muss ich sogar mein Regenzeug noch einmal aktivieren. Total schoene Gegend, sollte man eigentlich mal bewandern. Wie geht das bei McDonald's? "I'm lovin it (tm)".

Next Entry

2004-05-02

Romania

What a day! Startet mit dem ueblichen Gegenwind - nur diesmal von hinten! Motiviert von diesem Umstand, der Ausicht bald in die Berge zu kommen und der sowieso langweiligen Highwaystrecke zisch ich die ersten 80km des Tages schon am Vormittag weg - mit nem Rekordschnitt von 28,7km/h! Danach bremsen die Staedte und beginnenden Berge mein Vorwaertskommen, aber 182km werden es dennoch sein am Abend.

Ab ca 25km/h kann ich bei meiner derzeitigen Beladung problemlos freihaendig fahren (gell Barty?! ;-) ) und ab 45km/h reicht meine Uebersetzung nicht mehr aus um laengerfristig mitzutreten. Ich fahr ueber nen Staudamm, wie schon die Donaubruecke vor Tagen ist auch dieser von Soldaten mit automatischen Waffen bewacht. Das Land hat sich sehr veraendert. Es ist nicht nur huegelig geworden, sondern endlich auch wieder bewaldet (bin sogar an einem "schuetzt die Baeren" Schild vorbeigefahren). Ausserdem scheinen die Menschen hier mehr Kohle zu haben, zumindest sind die Haeuser prolliger und statt Pferdewagen ist wieder haufenweise Autoverkehr unterwegs. Nach der letzten Steigung des Tages werde ich von ner Familie zur Grillparty am Strassenrand eingeladen. Ich werde festlich bewirtet und bekomme diverse Anstecknadeln und Federn als Auszeichnungen an mein Kopftuch. Ausserdem Wein. Hoelle! Zwei Glaeser und ich bin schon derbstens schicker. Nach annaehernd 200km und 30C wohl kein Wunder. Obwohl ich mir richtig Muehe gegeben hatte wenigstens 1Liter Wasser pro Stunde zu trinken. Naja, jetzt erstmal das restliche Fleisch futtern und dann gute Nacht! Immerhin ist es gerade dunkel geworden, also schon lange Schlafenszeit (2130Uhr) ;-)

Next Entry

2004-05-01

Romania

Nach 94km und nem Schnitt von 23km/h (endlich mal kein Wind!) mach ich gerade Rast vor einer Kirche. Laufen edel gekleidete Leute rein und raus mit aufwendig geschmueckten Kerzen. Mitten durch heizen Kinder auf Inlines oder Mountainbikes - stoert niemanden. Sogar die Kleinen machen aber halt, kuessen den Heiligenbildern die Fuesse und bekreuzigen sich - auch wenn kein Erwachsener in der Naehe ist. Ich bin heute auch schon in eine Beerdigungsprozession geraten: Auf nem Kleinlaster lag der Sarg, drumherum Kinder. Vor dem Laster wurde eine Glaskiste getragen, soweit ich das erkennen konnte mit nem Haufen Backwaren und Figuren gefuellt. Ady sagte uns er sei orthodox - weiss nicht, ob das dann auch fuer alle anderen hier gilt. Seine Ma (!) hatte mich uebrigens ins Haus geholt und stolz seinen Ghettoblaster, Musikkassettensammlung und Pornovideos gezeigt (nen Fernseher oder Telefon hatten sie nicht). Wie war das? "German girls are great!" ;-) Ich kann den hiesigen Schoenheiten durchaus auch was abgewinnen. Kleider und Roecke koennten in Deutschland ruhig mal wieder "in" sein. Eine auf meiner Karte eingezeichnete Bruecke entpuppt sich als Faehrueberfahrt und beim Beladen derselbigen mit mehreren schweren Kieslastern setzen diese mit dem Fahrgestell auf Rampe und Boot auf. Der Abstand zwischen Land und Faehre wird immer groesser... es sind alle an Bord gekommen, aber gesund war das fuer die LKW garantiert nicht. Die letzten km bis hierher haengt sich ein Einheimischer mit seinem Mountainbike in meinen Windschatten und haelt die ganze Strecke bei 25km/h mit - nicht schlecht, nicht schlecht. Der war bisher der ausdauerndste "Dorfheizer". Mein Nickerchen auf der Bank wird von drei Uniformierten unterbrochen. Reine Neugier. Wird ne lustige Runde Pantomieme und Pictionary - keiner von denen spricht irgendwas ausser Rumaenisch. Der Italiener und der Spanier, die spaeter dazukommen helfen auch nichts. Erst Mihail Liviu bringt mit seinen Englischkenntnissen ne vernuenftige Unterhaltung in Gang. Allerdings nimmt der mich anschliessend zur Seite, erzaehlt mir seine Lebensgeschichte (Autounfall, zwei Monate Koma, arbeitslos - er traegt tatsaechlich die Narben mehrerer schwerer Kopfverletzungen) und will meine Adresse in Deutschland. Als er dann aber anfaengt mich zunehmend zu betatschen, wissen will, ob ich alleine unterwegs bin, wo ich heute uebernachte und wieviel Bargeld ich dabeihabe, mach ich mich lieber vom Acker.

Ein Laster schafft die Steigung nicht und schnauft sich im Stillstand tot. Ich fahr gluecklicherweise bergab daran vorbei und teile sein Schicksal nicht ;-) Mein Desinfektionsspray ist ausgelaufen, jetzt ist der Inhalt der ganzen Tasche steril. Drei grosse streunende Hunde umzingeln mein Zelt und knurren und bellen wie verrueckt. Ich kann sie immer nur kurz vertreiben, dann kommen sie wieder - nervig. Komische Gegend hier. Bahngleise enden einfach, Hochspannungsmasten ohne Kabel, Brueckenpfeiler mitten auf dem Acker und ein ausgetrockneter Flusslauf. Letzterer ist teilweise zugeschuettet, so dass es Bruecken gibt, die ein einsames Loch ueberspannen - sieht absurd aus.

Next Entry